Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
Das Wahrnehmungs - Luftwaffe
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Situative<br />
Aufmerksamkeit (SA)<br />
Oft eingeklagt, manchmal verloren,<br />
zu oft Anlass für Kontrollverlust, ist SA<br />
die entscheidende Größe, um sich in<br />
dynamische, komplexen Situationen<br />
angemessen verhalten zu können.<br />
Obwohl so wichtig, ist SA etwas<br />
Nebulöses, kaum treffend Definierbares,<br />
was jedoch keinen Fluglehrer,<br />
auch nicht GenFlSichhBw, davon<br />
abhält, unter bestimmten Bedingungen<br />
einen Verlust von SA festzustellen<br />
und Bewertungen vorzunehmen.<br />
Deshalb soll hier der Versuch unternommen<br />
werden, SA zu definieren, zu<br />
erklären und abzugrenzen, um einen<br />
einheitlichen Sprachgebrauch zu ermöglichen.<br />
Definitionen<br />
Wie so oft, bietet die amerikanische<br />
Fachliteratur treffende Definitionen in<br />
verständlicher Form, die das Wesentliche<br />
markant herausstellen. Deshalb<br />
soll hier eine sehr kurze Definition vorgestellt<br />
werden, die darüber hinaus in<br />
visualisierter Form wiedergegeben<br />
wird.<br />
SA ist das Bewusstsein der Crew<br />
über die momentane Lage und deren<br />
weiterer Entwicklung 21 .<br />
Es muss noch ergänzt werden, dass<br />
zur umfassenden Lageeinschätzung<br />
und deren Entwicklung natürlich auch<br />
bewusst zu sein hat, durch welche<br />
Vorgänge die Crew in die Lage hinein<br />
I/2002 FLUGSICHERHEIT<br />
versetzt wurde. Genau das möchte<br />
obige Grafik darstellen.<br />
Nur wenn sich das wache Bewusstsein<br />
aus der Schnittmenge<br />
dessen was war, mit dem was ist<br />
und dem was sein wird, zusammensetzt,<br />
kann von einer angemessenen<br />
SA gesprochen werden.<br />
Doch nun zu der Frage, auf was<br />
sich eigentlich SA einer Lfz-Besatzung<br />
bezieht?<br />
Abgrenzung<br />
Auch in Anlehnung an Tony Kern 22 ,<br />
soll der Versuch einer Abgrenzung vorgenommen<br />
werden. Er beschreibt SA<br />
als Voraussetzung für angemessene<br />
Beurteilungen (judgement) und unterteilt<br />
SA in fünf Kategorien:<br />
1. know yourself<br />
Kenne und beherrsche Deine<br />
psychophysiologischen Grenzen!<br />
Bringe Dich nur in Situationen,<br />
von denen Du ganz genau<br />
weißt, welche Möglichkeiten und<br />
Ressourcen Du persönlich hast,<br />
um wieder ´rauszukommen!<br />
Sei selbstkritisch ohne ängstlich<br />
zu sein!<br />
2. know your aircraft<br />
Kenne und beherrsche Dein Lfz<br />
in allen von Dir beherrschbaren<br />
Situationen!<br />
Habe Vertrauen in die Leistungsdaten,<br />
betrachte sie aber auch<br />
als Grenzen, die ohne Not nicht<br />
überschritten werden dürfen!<br />
3. know your crew<br />
Kenne die Leistungsfähigkeit<br />
Deiner Crew und setze sie situationsgerecht<br />
ein!<br />
4. know your environment<br />
Kenne und akzeptiere die Möglichkeiten,<br />
Besonderheiten und<br />
Grenzen Deines Umfeldes!<br />
5. know your risk<br />
Kenne vor Antritt eines Fluges<br />
alle Risiken Deines Einsatzes<br />
genau und sei Dir im klaren darüber,<br />
ob Du über die Ressourcen<br />
verfügst, die Risiken zu kontrollieren!<br />
Überwache den Fortgang der<br />
Ereignisse hinsichtlich neuer, bisher<br />
nicht bedachter Risiken und<br />
bewerte sie in jeder Hinsicht!<br />
Diese Kategorisierung ist umfassend<br />
und scheint selbstredend. Es entsteht<br />
der Eindruck, dass man das<br />
natürlich „schon immer wusste”. Der<br />
Umgang damit ist jedoch nicht ohne<br />
weiteres möglich. Vor allem drängt<br />
sich dieser Rückschluss auf, wenn man<br />
die bisherigen Passagen aufmerksam<br />
gelesen hat. Und dennoch ist es möglich,<br />
unter den gegebenen Bedingungen<br />
situative Aufmerksamkeit angemessen<br />
einzusetzen; wir brauchen<br />
dafür allerdings die Dienste einiger<br />
kleiner Helfer.<br />
Wir können uns der Lösung dieses<br />
Problems nähern, wenn wir uns<br />
erneut prinzipiell über Reaktionszeiten<br />
unterhalten 23 .<br />
Priming<br />
Unsere gesamten gespeicherten<br />
Erfahrungen weisen in unserem Gedächtnis<br />
prinzipiell einen relativ geringen<br />
Aktivierungsgrad auf. Demnach<br />
ist es nicht permanente menschliche<br />
Kapazität, Aufmerksamkeit schnell<br />
und zielgenau auf die Aspekte der<br />
aktuellen Ereignisse zu lenken. Obwohl<br />
Gedächtnis und Aufmerksamkeit<br />
ständig in enger Beziehung stehen,<br />
bestimmt die dritte Größe, das Niveau<br />
an Aktiviertheit, die Qualität des Zusammenwirkens<br />
von Gedächnis und<br />
Aufmerksamkeit. Der Grad an Aktiviertheit<br />
ist also eine Voraussetzung<br />
dafür, wie schnell und wie zielgenau<br />
die Hinwendung der Aufmerksamkeit<br />
auf einen bestimmten Sachverhalt<br />
erfolgen kann. Findet der Vorgang des<br />
Erkennen, Bewerten und Umsetzen<br />
von Informationen in Handlung im<br />
ungünstigsten Fall in einer Phase niedriger<br />
Aktivierung statt, im übertragenen<br />
Sinne aus einem „Ruhe-Modus”<br />
heraus, vergehen vom Auftreten<br />
des Reizes bis zur Handlung durchschnittlich<br />
15 sec – zu viel Zeit für<br />
dynamische, komplexe Situationen.<br />
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