Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische<br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
Hamburg-Winterhude<br />
in der<br />
E. Felix <strong>Moser</strong><br />
<strong>Pastor</strong><br />
Predigt am Sonntag Palmarum<br />
9. April <strong>2006</strong><br />
Predigttext: 4. Mose 21,4-9<br />
Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den<br />
Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger<br />
hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche<br />
nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen,<br />
die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber<br />
Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht<br />
hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. Er ist<br />
nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer<br />
will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will<br />
mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie Kleider zerfallen, die die Motten fressen.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Es ist zum Verzweifeln! Wenn einer Wichtiges (vielleicht Lebenswichtiges) zu sagen hat, a-<br />
ber keinen findet, der ihm Gehör schenkt, wenn er vielleicht immer wieder neu Anlauf nimmt,<br />
sich an immer mehr und andere Menschen wendet und doch sehen muss: Es bringt alles<br />
nichts. Da ist kein fruchtbarer Boden für meine Wahrheit. – Das ist wirklich zum Verzweifeln.<br />
Heute Morgen hören wir eines der so genannten „Gottesknechtlieder“. Jesaja spricht darin<br />
von dieser schmerzhaften Erfahrung. Sein Auftrag ist es, die Müden, Resignierten zu trösten.<br />
Die Israeliten hatten ihr Land verloren, waren mit Gewalt nach Babylon umgesiedelt worden,<br />
hatten miterleben müssen, wie sich ihre Lage immer weiter verschlechterte. Anfangs gab es<br />
noch Hoffnung auf Veränderung. Der Glaube war stark und auch die Erinnerung an das eigene<br />
gelobte Land. Aber das Hoffen und Harren über so viele Jahre hat die Israeliten müde<br />
gemacht. Hoffnungslosigkeit, Depression hat sich wie eine bleierne Decke über das Volk gebreitet.<br />
Man will nichts mehr hören, schon gar nicht die Trostworte irgendwelcher Propheten.<br />
Was hatte denn all das Reden von besseren Zeiten bisher gebracht?!<br />
Und noch einer Gruppe ist der Prophet ein Dorn im Auge. Die Mächtigen, die Profiteure der<br />
politischen Lage können keinen gebrauchen, der dem Volk Mut zuspricht. Müde und Resignierte<br />
lassen sich leicht lenken und für die eigenen Ziele einsetzen. Gelingender Trost aber<br />
weckt neue gefährliche Kräfte: ein Unruhepotential, das zu Ausschreitungen führen kann.<br />
Jesaja bekommt die Folgen der breiten Ablehnung zu spüren. Schon im zweiten Gottesknechtlied<br />
hören wir von der Erfolglosigkeit seines Wirkens; jetzt erfahren wir, dass ihm der<br />
Prozess gemacht wurde, dass er inhaftiert und gefoltert wurde. Die Wahrheit scheint es, hat<br />
keine Chance.<br />
Aber damit ist nicht das Schlusswort gesprochen. Jesaja macht weiter. Er singt sein Lied in<br />
der Zelle; er singt es aus der Zelle heraus: Gott wird die Gefangenen erlösen. Er wird euch<br />
wieder nach Hause bringen. Er selbst wird eure Resignation aufbrechen.<br />
Jesaja hat nicht viel in der Hand, womit er argumentieren könnte. Nachdem die Visionen im<br />
Volk blass und der Glaube schwach geworden ist, bleibt ihm nur eines: der Verweis auf die