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Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund

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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />

Paul-Gerhardt Gemeinde<br />

<strong>Pastor</strong><br />

Hamburg-Winterhude Predigt am 21.05.06<br />

Beten, sagt der Kolosserbrief, das ist eine Beziehung, in die man beharrlich, mit Geduld hineinwachsen<br />

muss. Deren ganz eigene Sprache man lernen muss. Das meint zuerst einmal<br />

die Aufforderung, regelmäßig zu beten. Davon sind wir als „moderne“ Christen (zumal in der<br />

evangelisch-lutherischen Kirche) sehr weit abgekommen. Wir legen viel Wert auf die Freiheit<br />

im Glauben – und beziehen diese Freiheit sehr schnell auch auf die Häufigkeit des Gebets.<br />

Das feste tägliche Gebet (etwa am späten Abend) ist für die meisten schon die höchste Stufe<br />

der Verbindlichkeit, die man zugestehen will.<br />

In der alten Kirche sah das noch anders aus. Da gab es über den ganzen Tag (und auch die<br />

Nacht) verteilte Gebetszeiten. Die Stundengebete der Mönche sind daraus erwachsen.<br />

Wichtig daran aber: Nicht die Häufigkeit zählt, auch nicht das exakte Einhalten von Zeiten.<br />

Entscheidend ist vielmehr: Im regelmäßigen Beten drückt sich eine Kontinuität der Gottesbeziehung<br />

aus. Das heißt: Wer kontinuierlich betet, bleibt mit Gott im Gespräch und pflegt einen<br />

lebendigen Glauben; der lernt, was es heißt, mit Gott „durch Dick und Dünn zu gehen“.<br />

Der merkt auch, dass es beim Beten nicht nur um eine Sache des Kopfes geht, ja dass die<br />

Worte immer weniger wichtig sind. Das Gebet wird zu einer Sache des Herzens: da fasst es<br />

Fuß, da wächst es, da bringt es Früchte.<br />

In der russisch-orthodoxen Kirche gibt es die Tradition des „immerwährenden Jesus-<br />

Gebets“. Es heißt auch „Herzensgebet“ und hat einen hohen Stellenwert. Da kommt es weder<br />

auf die Länge noch auf einen Reichtum an Worten an. Es besteht nur aus einem einzigen<br />

Satz: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner.“ Allein das soll ständig<br />

(„beharrlich“) wiederholt werden. So wandert es aus dem Bewusstsein, dem Verstand ins<br />

Herz. Schließlich ist es das Herz, das sich im ständigen Gebet mit Christus befindet.<br />

Die Beharrlichkeit ist das erste und wichtigste, was der Kolosserbrief nennt. Aber sie ist nicht<br />

das einzige. Damit das Beten nicht zur Enttäuschung wird, muss anderes hinzukommen. Betet<br />

„mit Dankbarkeit“, schreibt Paulus, „und zugleich auch für uns...“ Dank – und Fürbitte also!<br />

Mal ehrlich, wessen Gebet lässt tatsächlich das Danken und das Beten für die anderen<br />

vor den eigenen Belangen rangieren?! In den allermeisten Fällen sind es doch die eigenen<br />

Wünsche, die an erster Stelle stehen.<br />

Auch wer kein Fußballfan ist, kommt derzeit nicht umhin, sich mit Fußball zu beschäftigen.<br />

Die Weltmeisterschaft steht vor der Tür – und da muss es wohl so sein, dass sich jeder Sender<br />

und jede Zeitschrift damit befasst. Selbst christliche Blätter machen da keine Ausnahme.<br />

Gestern hielt ich „Chrismon“ in der Hand, ein evangelisches Magazin. Unter dem Titel<br />

„Jungs, ihr schafft das!“ bringt es sogar dieses Blatt zustande, fünfundfünfzig Seiten mit<br />

Fußball (bzw. der Verbindung von Fußball und Glauben) zu füllen. Besonders absurd wird es<br />

dann, wenn's ums Beten geht. Natürlich betet jede Mannschaft, jeder Spieler, jeder Fan um<br />

den Sieg und das Weiterkommen der eigenen Leute. Und wieder sind viele dabei, die offen<br />

bekennen, sonst nie zu beten, aber in dieser besonderen Situation sei das was anderes...<br />

Aber, bitte schön, wer will denn hier tatsächlich mit „Gebetserhörungen“ rechnen?! Kein noch<br />

so „lieber“ und „gerechter“ Gott wäre imstande alle Wunschlisten gleichermaßen zu erfüllen.<br />

Beten als „Ego-Trip“, das ist in jedem Fall eine Sackgasse, denn es nimmt Gott alle Freiheit.<br />

Interessant dagegen der Gebetswunsch des Paulus. Seine Fürbitte ist sehr offen gehalten.<br />

Er selbst sitzt im Gefängnis ein, als er den Brief an die Kolosser schreibt, aber er bittet nicht<br />

einmal darum, die Kolosser mögen für seine Freilassung beten. Ihm geht es vielmehr darum,<br />

dass sich „eine Tür auftue für das Wort“; „das Geheimnis Christi“ soll Verbreitung finden.<br />

Hier ist es wirklich die Formulierung, die Wahl der Worte, die mich so anspricht. Im Vaterunser<br />

beten wir stets „Dein Wille geschehe“. Paulus nimmt das ernst, er ordnet sich dem unter,<br />

er lässt Gott die Freiheit, aber er bittet zugleich, „dass sich eine Tür auftue“. Ich glaube, hier<br />

liegt der Schlüssel, Gebetsenttäuschungen zu vermeiden. Wer Gott darum bittet, eine möge<br />

eine Tür auftun, wo er selbst nicht weiter weiß, der wird erhört werden. Vielleicht nicht gleich;<br />

sicher braucht es wieder Beharrlichkeit. Aber die Beharrlichkeit, die im festen Vertrauen auf<br />

Gottes guten Willen gründet, wird von Gebetserhörungen in diesem Sinne sprechen können<br />

und wird von da aus auch ganz automatisch zum Danken kommen.

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