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Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund

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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />

Paul-Gerhardt Gemeinde<br />

<strong>Pastor</strong><br />

Hamburg-Winterhude Predigt am 29.10.06<br />

größte Inflation erfahren. Weltuntergangsszenarien gibt es zuhauf (ernst zunehmende wissenschaftliche<br />

ebenso wie phantastische in Kino und Fernsehen). Christus spielt darin aber<br />

keine Rolle mehr.<br />

Können uns Paulus' Worte dennoch etwas sagen? Können sie auch unser Zeit- und Lebensgefühl<br />

erreichen? Ich denke schon!<br />

Manchmal geschieht es, dass die Welt, in der wir uns einigermaßen sicher eingerichtet haben,<br />

aus den Fugen gerät. Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben – positive oder<br />

negative, glückliche Ereignisse oder persönliche Katastrophen. Sich zu verlieben etwa verwirrt,<br />

bringt durcheinander, macht alles anders. Ebenso das plötzliche Ende einer Partnerschaft,<br />

das Zerbrechen einer alten Freundschaft, eine schlimme Diagnose, ein ungewollter<br />

Berufswechsel ... Wir versuchen dann, so schnell es geht, „das“ (d.h. uns, unser Leben) wieder<br />

in den Griff zu kriegen, zu einem geordneten Alltag („zur Tagesordnung“, denn diese<br />

Ordnung brauchen wir) zurückzufinden. Oft dauert das, braucht seine Zeit und wir merken,<br />

wie schwer es ist, auf einem schwankenden Lebensboot auszuhalten.<br />

Es können aber auch Alltagserfahrungen Signale einer Not sein. Jüngere Menschen mögen<br />

darüber schmunzeln, älteren dagegen das Lebensboot gehörig ins Schwanken bringen:<br />

schon wieder diese Brille verlegt, dieses unsichtbare Ding; schon wieder ist der Schlüsselbund<br />

nicht an seinem Haken; schon wieder einen ganz wichtigen Namen vergessen ... Wer<br />

das ständig (und sich häufend) erlebt, erfährt das als ganz große persönliche Not.<br />

Ich glaube, dass Paulus' Worte für all solche verunsichernden Lebenslagen wirklich hilfreich<br />

sind. Er kann sie nicht ändern, aber er nimmt ihnen ihren bedrohlichen Stellenwert; er relativiert<br />

sie. „Weinen, als weinte man nicht ... denn das Wesen der Welt vergeht.“ Das meint<br />

doch: Alles, was wir leben, was wir erleben, ist nur vorläufig. Denn seit Christus auf der Welt<br />

war, wissen wir: Das Wesen dieser Welt vergeht. Alles, was wir Welt nennen, wird einmal zu<br />

ende sein. Vielleicht sogar morgen schon.<br />

Das hat nichts Pessimistisches oder gar Depressives. Im Gegenteil: es macht frei – frei von<br />

der Zeit und von sich selbst. Wir erleben heute vielfältig, was es heißt, „sich an die Welt zu<br />

verlieren“. Paulus setzt ein anderes dagegen. Im selben Kapitel sagt er: „Ihr seid teuer erkauft,<br />

werdet nicht Sklaven der Menschheit“ (der Welt) [Vers 23]. Jetzt bringt er es im Blick<br />

auf die verschiedenen Lebensbereiche auf den Punkt:<br />

• Ehe: eine Partnerschaft zu haben als hätte man nicht ... Daraus höre ich die Frage,<br />

wie wir in Beziehungen miteinander umgehen. Das Wort „haben“ erinnert an die Gefahr,<br />

in der jede Beziehung schwebt: dass der Partner als Besitz angesehen wird und<br />

einer sich das Recht herausnimmt, den anderen mit Erwartungen und Ansprüchen zu<br />

überschütten – so sehr, dass der andere nicht mehr frei ist, er selbst zu sein. Wieviel<br />

Druck, Zwang und Abhängigkeit können entstehen, wenn einer den anderen binden<br />

will – etwa durch Sätze wie: „Ich brauche dich“, „Ich kann ohne dich nicht leben“ ...<br />

Was manchmal im Gewand vermeintlicher Liebe daherkommt, ist oft in Wirklichkeit<br />

nur die egozentrische Angst um sich selbst; Angst vor Verlust und die Gier zu haben,<br />

zu besitzen.<br />

• Diese Gier zu haben und zu besitzen schwingt auch mit bei Paulus' Mahnung „zu<br />

kaufen, als besäße man nicht“. Die zurzeit mit so viel erbittertem Eifer geführte Diskussion<br />

über die sogenannte „Unterschicht“ hat ihren Grund unter anderem doch darin,<br />

dass wir uns heute in wachsendem Maße nur noch über das definieren, was wir<br />

uns leisten oder nicht leisten können. Auch hier sind Paulus' Worte ein gutes Korrektiv.<br />

Immer wenn's ums Haben und Besitztn geht, sollen wir uns daran erinnern: Das<br />

hat nur einen vorläufigen Wert. Das Wesen dieser Welt vergeht! Danach kommt Gottes<br />

neue Welt – schon angesagt in dem was Jesus gelebt hat, schon angebrochen in<br />

seiner Auferstehung.<br />

Dieser Ausblick, diese Erwartung und Hoffnung hilft uns, frei zu werden von falschen Zwängen<br />

und Abhängigkeiten; hilft uns loszulassen, was uns beherrschen will; hilft uns freizugeben,<br />

was wir meinen, festhalten zu müssen; hilft uns, einander als freie Menschen zu<br />

begegnen und zu lieben; hilft uns, „zu haben, als hätten wir nicht“.

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