Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
<strong>Pastor</strong><br />
Hamburg-Winterhude Predigt am 24.09.06<br />
der einzelnen Körperzelle! Wer hätte all so etwas noch vor wenigen Jahren für möglich<br />
gehalten?!<br />
Die technischen Möglichkeiten werden immer unglaublicher – und dennoch ist der Mensch<br />
offensichtlich nicht imstande, seine eigentlichen Probleme zu lösen: ein Zusammenleben in<br />
Würde und Frieden zu gewährleisten und Hunger und Armut zu überwinden.<br />
Der Mensch steht sich selbst im Weg. Auch die größten Fortschritte in Wissenschaft und<br />
Technik können nicht verhindern, dass Selbstsucht, Gewinnstreben und Vorteilnahme sich<br />
durchsetzen. Natürlich gab es das auch schon zur Zeit des Paulus (er spricht es ja auch offen<br />
an), welches Ausmaß es aber annehmen würde, konnte damals keiner ahnen. In nicht<br />
einmal einem halben Jahrhundert haben wir es „geschafft“, ein Fünftel des fruchtbaren Bodens,<br />
ein Fünftel der tropischen Regenwälder und Zehntausende von Tier- und Pflanzenarten<br />
unwiederbringlich zu verlieren. Mit atemberaubendem Tempo wurden und werden die<br />
natürlichen Ressourcen und Energieträger abgebaut. Gleichzeitig erleben wir eine Verelendung<br />
und Not von unbeschreiblichem Ausmaß. Im gleichen Zeitraum (eines halben Jahrhunderts)<br />
hat sich die Weltbevölkerung fast verdoppelt. Die Konsequenzen werden uns nach<br />
und nach bewusst (z.B. der Klimawandel), aber es gibt genügend Anzeichen, die auf weitaus<br />
Schlimmeres hindeuten: Tagtäglich fliehen Tausende von Afrikanern meist unter Lebensgefahr<br />
aus ihren Ländern nach Europa, weil sie weder Nahrung noch Kleidung haben und vor<br />
allem, weil in ihren Ländern das Wichtigste ausgeht: das Trinkwasser.<br />
Die Menschheit ist von sich aus offenbar nicht in der Lage, das Verderben, das von ihr selbst<br />
verursacht auf sie zukommt, abzuwenden. Und einen Fortschritt in Sachen Menschlichkeit<br />
und Verantwortung gibt es kaum. Eher macht sich Resignation breit, das Gefühl, eh nichts<br />
ändern zu können an den katastrophalen Entwicklungen. Die Devise lautet: Augen zu, solange<br />
es geht. Als an den Urlaubsstränden auf den Kanaren halbtote afrikanische Flüchtlinge<br />
vor die Füße der sonnenbadenden Touristen gespült wurden, waren die es, die eine erste<br />
Notversorgung leisteten (die Behörden sehen sich dazu nicht mehr imstande). In den A-<br />
bendnachrichten wurden die entsprechenden Bilder gezeigt. Und es wurden einige Touristen<br />
interviewt. Auf die Frage, ob das Flüchtlingsdrama bei ihnen etwas verändert habe, antworteten<br />
gleich mehrere: Ja, sie hätten erkannt: hier könne man nicht mehr hinfahren zum Urlaub<br />
machen.<br />
Augen zu, solange es geht ...<br />
„Wer auf das Fleisch sät, wird Verderben ernten“, sagt Paulus. Und er meint damit, unsere<br />
verhängnisvolle Tendenz, ganz auf die eigenen Fähigkeiten, die eigene Stärke zu vertrauen.<br />
Wir sind dabei, in vollem Ausmaß zu erleben, wohin das führt.<br />
Aber Paulus hat auch etwas dagegen zu setzen: „Wer auf den Geist sät, der wird das ewige<br />
Leben ernten.“ Das „Fleisch“ samt seinen verhängnisvollen Folgen ist offenbar nicht alles. Im<br />
Menschen wohnt der Hang zur Destruktivität; sie kann viele Gesichter haben (Neid, Selbstgerechtigkeit,<br />
Selbstsucht, Gewinnstreben ...), aber wir sind dem nicht heillos ausgeliefert.<br />
Christen sind begabt mit Gottes Geist. Im Glauben an Jesus Christus wird er uns verliehen –<br />
und er bewirkt viel: Er lässt uns spüren, dass wir geliebt und von dieser Liebe getragen sind.<br />
Das entlastet. Plötzlich merken wir, dass wir frei sind von dem Zwang, in allem immer nur auf<br />
uns zu achten. Wer sich von Gottes Liebe gehalten weiß, der muss nicht dauernd Angst haben,<br />
zu kurz zu kommen. Dessen Blick wird frei für den anderen, für dessen Nöte und Belange.<br />
Wer im Geist lebt, spürt Kraft frei werden.<br />
„Wenn wir im Geiste leben, so lasst uns auch im Geiste wandeln“, sagt Paulus. Und er gibt<br />
an, worin der Wandel im Geist besteht. „Wandel im Geist“ vollzieht sich in der Befolgung der<br />
einfachen, selbstverständlichen Regeln von 'Anstand, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft.<br />
Das klingt so simpel und banal – und doch muss es gesagt werden, gerade heute, wo uns<br />
das vermeintlich so Selbstverständliche abhanden zu kommen droht.<br />
Das Bild vom Säen und Ernten auf das Fleisch und auf den Geist hat mir anfangs viel Mühe<br />
gemacht. Jetzt aber, im Blick auf das Ergebnis, gibt es mir sehr viel. Ich finde es gut und hilfreich,<br />
dass Paulus vom „Ernten“ spricht. Ich glaube, er vermeidet es bewusst, von Erfolg zu