Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische<br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
Hamburg-Winterhude<br />
in der<br />
E. Felix <strong>Moser</strong><br />
<strong>Pastor</strong><br />
Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis<br />
13. August <strong>2006</strong><br />
Predigttext: Jeremia 1, 4-10<br />
Und des HERRN Wort geschah zu Jeremia: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete,<br />
und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich<br />
zum Propheten für die Völker. Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen;<br />
denn ich bin zu jung. Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: «Ich bin zu jung», sondern<br />
du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich<br />
nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. Und der HERR<br />
streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine<br />
Worte in deinen Mund. Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du<br />
ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Vielleicht kennen sie den Roman (Ende der 80er Jahre wurde er viel gelesen) „Die unerträgliche<br />
Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera. Darin kommt es in einer Schlüsselszene zu<br />
einer Auseinandersetzung zwischen dem Arzt Tomas und seiner Partnerin Teresa. Sie ist<br />
der Meinung, die beiden hätten in Zürich bleiben sollen, vor allem, weil er dort als Arzt so erfolgreich<br />
gearbeitet habe. „Du warst dazu berufen, zu operieren“, argumentiert sie. Er sieht<br />
es ganz anders. „Teresa“, antwortet er, „Berufung ist Blödsinn. Ich habe keine Berufung.<br />
Niemand hat eine Berufung. Und es ist eine ungeheure Erleichterung festzustellen, dass<br />
man frei ist und keine Berufung hat.“<br />
Ich hätte gern gewusst, was Jeremia diesem jungen Arzt antworten würde. Wahrscheinlich<br />
würde der Prophet ihm sogar ein Stück weit recht geben. Keine Berufung zu haben, ist eine<br />
Erleichterung und mag tatsächlich zu einem Gefühl von Freiheit führen.<br />
De facto aber sieht es anders aus. Berufungen gibt es durchaus. Jeremia weiß ein Lied davon<br />
davon zu singen. Er, ein einfacher Mann aus bürgerlichem Haus, erlebt sie aus heiterem<br />
Himmel. Als sensibel, zurückhaltend, verletzlich wird er uns vorgestellt, weder eine Kämpfernatur<br />
noch ein guter Redner. Dennoch sucht Gott gerade ihn aus für eine denkbar schwere<br />
Aufgabe. Er soll seinem Volk den Untergang ansagen. Er soll dem Volk den Spiegel vorhalten,<br />
soll Götzenverehrung, falsche Lebensweise und korrupte Politik beim Namen nennen<br />
und aufzeigen, wohin das führt: in den Krieg, in die Zerstörung Jerusalems, in die Verschleppung.<br />
Es wundert nicht, dass Jeremia sich wehrt. „Ach Herr, ich tauge nicht dazu, ich bin zu<br />
jung.“ Jeremia fühlt sich unfähig, unwürdig.<br />
Ich kann das gut nachempfinden, und ich glaube, den meisten geht es ebenso. Der Grund<br />
dafür ist: Es ist die nur allzu gut bekannte Neigung, plötzlich auftauchenden Anforderungen<br />
am liebsten aus dem Weg zu gehen. Schon aus unserer Schulzeit kennen wir das: Sobald<br />
ein Lehrer suchend den Blick schweifen ließ, sobald Gefahr drohte und einer „rangenommen“<br />
werden sollte, versuchte man abzutauchen. Die einen täuschten Geschäftigkeit vor<br />
(etwa, indem sie in den Tiefen ihrer Schultasche kramten), andere versuchten sich hinter<br />
dem Rücken des Vordermanns möglichst klein zu machen. Bloß nicht gesehen werden; nur<br />
nicht auffallen; es könnte ja mich treffen.