Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
<strong>Pastor</strong><br />
Hamburg-Winterhude Predigt am 25.05.06<br />
Jemand hat mal gesagt: zu Himmelfahrt wird der Glaube erwachsen. Dahinter steht das treffende<br />
Bild von Wachsen im Glauben. Als wir Kinder waren, haben die meisten von uns sich<br />
Gott als weißhaarigen Mann vorgestellt. Spätestens als Konfirmand nimmt man langsam Abschied<br />
davon. Gott wird unsichtbar, verschwindet hinterm Sternenhimmel in den Tiefen des<br />
Universums. Aber er taucht als Stimme des Gewissens wieder auf. Dazu gewinnt Jesus an<br />
Bedeutung – als Vorbild, als Wegweiser, als Mensch, der tatsächlich und vorbildlich gelebt<br />
hat. Mit den Jüngern können wir sagen: Da hat unser Glaube etwas Handfestes: Jesus ist<br />
Gott als Mensch, Gott zum anfassen sozusagen. Doch damit ist an Himmelfahrt Schluss.<br />
Nun muss der Glaube ohne den sichtbaren Jesus auskommen; er muss sich als wirklicher<br />
Glaube bewähren. Der Glaube wird erwachsen.<br />
„Was steht ihr da und guckt in den Himmel?“ werden die Jünger gefragt, als Jesus ihren Blicken<br />
entschwunden ist. Das ist der Wendepunkt; sie begreifen es langsam. Jetzt hat das<br />
Glauben neue Qualität. Dem erwachsenen Glauben wird einiges abverlangt und zugemutet.<br />
Die Zeilen des Johannes sind ein Beispiel dafür: „Das Ewige vergegenwärtigen...“ das meint:<br />
dem Glauben wird zugemutet, alte Sicherheiten loszulassen und sich nach vorne auszurichten<br />
auf die Verheißungen hin. „Wir leben im Vorletzten und glauben das Letzte“, so hat Bonhoeffer<br />
das ausgedrückt. Erwachsener Glaube versucht, diese Welt und die Verheißungen<br />
zusammenzubringen, vor allem die Verheißung von der Wiederkunft Christi und seinem<br />
neuen Reich. Anders (und leichter verständlich) gesagt: Erwachsener Glaube heißt, mit dem<br />
Herzen im Himmel sein, mit den Füßen auf der Erde und mit dem Kopf in der Realität.<br />
Jetzt sind wir endlich bei uns. Jetzt haben wir so etwas wie eine Positionsbestimmung in diesem<br />
schwierigen Text. Der Text geizt nicht mit großen Worten, wo es um uns geht. „Erlöste“<br />
nennt er die Christen mit erwachsenem Glauben, „Bürger des Reiches Gottes“ und sogar<br />
„Könige und Priester“.<br />
Ich kann diese großen Worte nur so verstehen, dass ich sie auf die drei Zeitebenen beziehe:<br />
„Erlöste sind wir durch unsere Vergangenheit (wir sind getauft worden), seitdem sind wir –<br />
auch jetzt, gegenwärtig – „Bürger in Gottes Reich“. Aber das ist nur das Vorletzte, das Letzte<br />
steht aus. Was es heißt, „Priester“ und „König“ zu sein, werden recht erst bei Jesu Wiederkunft<br />
erfahren.<br />
Mal ehrlich: Erkennen Sie sich wieder in diesen großen Worten?!<br />
Etwas als dogmatisch richtig anzuerkennen ist das eine. Es aber auch tatsächlich zu spüren<br />
und zu leben, das ist das andere. Wir wissen, dass uns die Taufe zu „Erlösten“ macht, aber<br />
wie und wo zeigt es sich in unserem Leben?<br />
Ein Mann wie Bonhoeffer lebt tatsächlich einen erwachsenen Glauben. „Wir leben im Vorletzten<br />
und glauben das Letzte“, sagt er. Die große Verheißung von der Wiederkunft Christi<br />
(das ist das Leben) konnte ihm tatsächlich die Kraft geben, das Vorletzte auszuhalten, seinen<br />
Weg als Christ konsequent zu gehen trotz Gefängnisses, Folter und Tod. Aber was ist<br />
mit uns?<br />
Ich persönlich spüre sehr deutlich, wie mich das Vorletzte gefangen nimmt. Da reicht schon<br />
die Lektüre meiner Tageszeitung, um das Bewusstsein „Erlöster“ zu sein, verblassen zu lassen.<br />
„Fünfzehn Millionen Menschen in Deutschland von Altersarmut betroffen“ (in zehn Jahren<br />
schon); „Erwärmung des Weltklimas viel schneller als erwartet“, neue terroristische Anschläge<br />
befürchtet“ – das sind nur einige der Schlagzeilen von gestern. Das geht nicht spurlos<br />
an uns vorüber. Wir spüren: unsere Welt ist ein Kampfplatz von Mächten und Gewalten.<br />
Aber wir erstarren darüber nicht vor Angst.<br />
Erlöst sein, also losgebunden und frei zu sein, bringt uns dazu, unser Leben in einer eigentümlichen<br />
Spannung zu gestalten; es ist die Spannung zwischen „Jesus ist weg“ und „Jesus<br />
kommt wieder“. Die Erinnerung an Jesus gibt uns Stärke; sie lässt manches gelingen, was<br />
wir mit Liebe und Einstzbereitschaft anpacken. Zugleich schauen wir nach vorne: Jesus<br />
kommt wieder. Das gibt Hoffnung und lässt uns froh sein – trotz noch so vieler und bedenklicher<br />
Entwicklungen. Sorgen machen wir uns zu Recht; sie lassen uns wachsam und tätig