Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische<br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
Hamburg-Winterhude<br />
in der<br />
E. Felix <strong>Moser</strong><br />
<strong>Pastor</strong><br />
Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis<br />
29. Oktober <strong>2006</strong><br />
Predigttext: 1. Korinther 7,29-31:<br />
Die Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die<br />
weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen,<br />
als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn<br />
das Wesen dieser Welt vergeht.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Es scheint, als stünden wir mit dem Sonntag heute schon mit einem Fuß im Monat November.<br />
Der goldene Oktober ist schlagartig zu ende; Herbststürme und nasskaltes Wetter künden<br />
vom schweren Teil des Herbstes: die traurigen, die drückenden Tage sind nahe; das<br />
Denken an Tod und und Vergänglichkeit; Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Ewigkeitssonntag<br />
...<br />
Der Predigttext von heute Morgen klingt wie der Auftakt von alledem: Paulus schreibt: „Die<br />
Zeit ist kurz. Fortan müssen die, die verheiratet sind, so sein als wären sie es nicht: und die,<br />
die weinen, als weinten sie nicht; und die, die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die<br />
etwas kaufen, als besäßen sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als gebrauchten sie<br />
sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.“<br />
In unserem Denken klingt das wirklich schwermütig, fast depressiv. Aber genau das ist das<br />
Problem, wenn kleine Verseinheiten aus dem Zusammenhang gerissen zu Predigttexten<br />
gemacht werden. Schon im Vers danach sagt Paulus: „Ich möchte aber, dass ihr ohne Sorge<br />
seid.“ Ihm geht es nicht darum, Angst zu schüren vor dem Ende der Welt oder seinen Lesern<br />
die Freude am Leben zu verderben. Ganz im Gegenteil: Ganz ausführlich nimmt er Stellung<br />
zu allen Lebensfragen aus der Gemeinde – zur Familie, Beruf, und Glaubensleben. Aus dem<br />
Glauben an Christus heraus soll all das neu beantwortet und gestaltet werden und das vor<br />
allem in einer positiven, sorglosen Grundstimmung.<br />
Das, was heute manchem Angst macht („die Zeit ist kurz“, „die Welt vergeht“), hatte für die<br />
Christen zur Zeit des Paulus einen ganz anderen Klang: Es weckte Freude! Man erwartete<br />
die Wiederkunft Christi noch zu eigenen Lebzeiten. Es war ein unruhiges, aufgeregtes Warten<br />
– geprägt von einer glühenden Liebe zu Christus und dementsprechend eine fieberhafte<br />
Ungeduld: Wann ist es endlich so weit, dass wir die vollkommene Gemeinschaft mit ihm erleben<br />
dürfen?! Das war die eine große Frage, die über allen anderen stand. Und auch wenn<br />
Paulus alle Fragen zu allen Lebensbereichen gründlich beantwortet, waren die doch nur von<br />
vorläufigem Interesse. Denn der, der Christi Wiederkunft noch zu Lebzeiten erwartet, kann<br />
getrost sagen: das ist doch alles nicht mehr so wichtig!<br />
Für uns hat sich viel verändert. Die Naherwartung der frühen Christen findet sich heute allenfalls<br />
noch bei einigen Sekten und Sektierern (wie den Zeugen Jehowas). Ja, man muss wohl<br />
radikaler fragen: Gibt es unter Kirchenchristen überhaupt noch einen Glauben an oder ein<br />
Bewusstsein von der Wiederkunft Christi?! Der christliche Glaube ist allgemein ja zurückgegangen,<br />
und schaut man mal auf die Glaubensinhalte, muss man wohl feststellen: der Glaube<br />
daran, dass Christus wiederkommt und das das Ende der Welt markiert, hat wohl die