Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
<strong>Pastor</strong><br />
Hamburg-Winterhude Predigt am 03.12.06<br />
Lob- Danklieder (einen Psalm etwa) angestimmt hätte. Aber nichts von alledem. Was Zacharias<br />
da anstimmt, wird von Lukas „Weissagung“ genannt; eine Weissagung, die „vom Heiligen<br />
Geist“ erfüllt ist. Tatsächlich unterscheidet sich der Gesang des Zacharias von allen uns<br />
bekannten Dankliedern.<br />
Die besondere Geburt, selbst Vater und Sohn treten in den Hintergrund. Stattdessen wird die<br />
ganze Heilsgeschichte entfaltet: von der Befreiung des Volkes aus Ägypten über die Erzväter<br />
und den König David wird ein großer Bogen hin zum Neugeborenen geschlagen. Dabei wird<br />
deutlich: Immer wenn das Volk ganz am Ende war, hat Gott einen Neuanfang gesetzt. Dann,<br />
wenn es ganz finster war, kam von Gott her ein Licht.<br />
Das Vorzubereiten, das anzukündigen, wird Aufgabe des Neugeborenen sein – und wenn<br />
sein Vater Zacharias jetzt schon davon singt, hat das wirklich den Charakter einer Weissagung.<br />
Versuchen wir uns einmal hineinzufühlen in das, was Zacharias hier erlebt. Kennen sie das<br />
auch: Augenblicke in Ihrem Leben, wo Sie bei dem, was Sie gerade erleben, auf einmal das<br />
Gefühl der Nähe, der Gegenwart Gottes haben? Das sind sehr seltene Augenblicke, aber es<br />
gibt sie. Sehr schnell merken wir, dass sie leider nicht festzuhalten sind. Und dennoch sind<br />
solche Erlebnisse der Nährboden für die Überzeugung: Die biblische Hoffnung hat Recht.<br />
Gott handelt, mehr noch: Gott kommt, er sucht die Seinen auf.<br />
Mir sind Beispiele dafür in den Sinn gekommen; zum großen Teil sehr private Beispiele für<br />
Gottes Nähe und Gegenwart. Mir ist dabei aber auch bewusst geworden: Von Momenten<br />
erlebter Gottesnähe lässt sich kaum angemessen sprechen. In Worte gefasst klingen sie<br />
entweder banal oder allzu pathetisch.<br />
Zacharias wird das ähnlich erlebt haben (vielleicht drückt er sich deshalb in Gesang aus).<br />
Aber als er seinen staunenden Zuhörern sein Lied vorträgt, sehen diese nur einen Säugling.<br />
Ein Kind wie jedes andere. Er allein hatte die Gottesnähe erlebt. Nur er sieht, was aus dem<br />
Kind werden wird; nur er sieht, wer diesem Kind folgen wird (auch wenn er dem Messias weder<br />
Gesicht noch Namen geben kann).<br />
Dennoch: das Beispiel des Zacharias will uns Anstoß sein, uns die Momente der Gottesnähe<br />
im eigenen Leben bewusst zu machen. Das wird wohl in den wenigsten Fällen in einen<br />
lauten Lobgesang münden, aber vielleicht doch in manch stilles Dankgebet.<br />
Für mich ist im Beispiel des Zacharias noch ein zweiter wichtiger Anstoß enthalten. Zacharias<br />
ist Vorbild für uns, Vorbild in zweierlei Hinsicht.<br />
Erstens: Es gibt heute einen unseligen Trend zu einem sehr engen und egoistischen<br />
Glücksgefühl. Ich sehe die Sparkassenwerbung vor mir, in der ein Vater mit einem Sprössling<br />
auf seinem Arm jubelt: „Mein Sohn! Mein Stammhalter! Meine Altersversorgung!“ Oder<br />
eine andere, in der sich zwei alte Schulfreunde gegenübersitzen und Fotos auf den Tisch<br />
knallen: „Mein Haus! Mein Auto! Meine Yacht!“<br />
Ganz anders Zacharias. Er nimmt die anderen mit in sein Glück hinein. Er stellt sein (im Vergleich)<br />
kleines privates Glück in den weiten Horizont des Handelns Gottes an seinem Volk.<br />
Damit sagt er: So wie ich Gott erlebt habe, so wunderbar, so nah, so beglückend, so ist er<br />
auch für euch da – für das ganze Volk ebenso wie für jeden einzelnen. Ich wünschte mir, eine<br />
solche Sehnsucht, Glück zu teilen, gäbe es auch heute, wenigstens ab und an.<br />
Noch ein Weiteres ist vorbildhaft: Zacharias bleibt nicht in der Vergangenheit stehen; kein<br />
wehmütiger Rückblick: „Wisst ihr noch, wie es geschehen ist …“ Und er versucht auch nicht,<br />
sein übergroßes Glück zu fixieren, sich an der Gegenwart festzuklammern. Nein, dieser alte<br />
Mann, dessen eigene Lebenszeit zu Ende geht, blickt nach vorn. Er wird geradezu mitgerissen<br />
von einer gewaltigen Hoffnung und Erwartung. Die Geburt seines kleinen Johannes ist<br />
für Zacharias nur der Beginn eines viel Größeren. Gottes Heilshandeln fängt jetzt eigentlich<br />
erst an. Das will er, das muss er weitersagen.<br />
Gerade heute am ersten Adventssonntag ist das für mich ein entscheidender Punkt. Zacharias<br />
setzt Maßstäbe für unsere Lieder. Er macht mit seinem Lied deutlich: Adventslieder sind