Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
<strong>Pastor</strong><br />
Hamburg-Winterhude Predigt am 16.04.06<br />
vorgehaltener Hand): „Rot, grün, gelb, blau, ist des Hanswurst seine Frau.“ zischten die<br />
Frauen – wenigstens noch zu der Zeit als ich klein war.<br />
Eine Ausnahme gab es von der Regel. Einmal im Jahr durfte es so bunt wie möglich sein:<br />
das war der Frühling, insbesondere am Osterfest. Man kleidete sich farbiger und man lebte<br />
mit Ostereiern, Frühlingsbeeten und Frühlingssträußen die Freude an den Farben richtiggehend<br />
aus.<br />
Deshalb kann ich es wohl wagen, Ihnen heute Morgen ein ausgesprochen farbiges Bild zuzumuten.<br />
Sattes Rot, üppig aufgetragen von Purpur- bis Karminrot in allen Schattierungen.<br />
Direkt daneben, aber auch durchbrochen von Gelbtönen, dem Weißgelb in der Mitte bis hin<br />
zum rötlichen Gold weiter unten.<br />
„Hoffnung für alle“ nennt die Künstlerin ihr Osterbild. Das wird vor allem am Kreuz deutlich.<br />
Das Kreuz vom Karfreitag wird dünn und brüchig, so dünn, dass es zur Mitte wegfällt. Im o-<br />
beren Teil des Kreuzes scheinen einige Stellen im Holz wieder zu grünen. Dort, wo das Osterlicht<br />
am stärksten ist, hat der Tod keine Chance mehr. Selbst am toten Kreuzesstamm<br />
kündigt sich neues Leben an. Aber auch die Farben selbst stehen für Hoffnung. Seit Alters<br />
her ist das Purpurrot Farbe der Kaiser und Könige, in christlichen Bildern von daher Farbe<br />
vor allem für den obersten König, für Gott. Das Rot bezeichnet aber nicht nur sein König<br />
sein, es steht auch für seine Liebe, eine flammende Liebe, die stärker nicht sein kann. Aus<br />
Liebe zu uns ist Gottes Sohn am Kreu gestorben; aus Liebe zu seinem Sohn und zu uns erweckt<br />
Gott-Vater ihn zu neuem Leben. Mit Ostern bricht für die Menschen eine ganz neue<br />
Zeit an. Der Kirchenvater Ambrosius besingt das in einer der ältesten Osterhymnen: „Der<br />
Himmel strahlt im Purpurschein der Morgenröte...“ Sie sehen die Morgenröte hinter dem<br />
Kreuz auch auf der Osterkerze, die wir heute neu entzündet haben. Alles wird zum Licht: Die<br />
Ostersonne ebenso wir der durchglühte Himmel.<br />
Das fallende Kreuz und die leuchtenden Farben – das wäre schon genug für ein Osterbild.<br />
Hier aber fehlt das Entscheidende noch. Wer sich eine Weile in das Bild „hineingeschaut“<br />
hat, wessen Augen sich an die intensiven Farben gewöhnt haben, der entdeckt noch mehr<br />
darin: Die Ostersonne über dem Kreuz wirft Schatten. Und diese Schatten lassen ahnen,<br />
dass das Kreuz zur Leiter geworden ist. (Wenn Sie das mit dem Kreuz an unserem Altar<br />
vergleichen, dann sieht dessen Schatten auch wie eine Leiter aus.)<br />
Es sind Menschen angedeutet: Wir sehen sie auf der einen Seite dem Kreuz, der Leiter zustreben;<br />
wir sehen sie auf der anderen Seite am Fuß des Kreuzes liegen oder abseits stehen<br />
(die schwangere Frau) und wir sehen sie an der Kreuzesleiter nach oben steigen, in die Mitte<br />
des göttlichen Lichtes hinein. So realisiert sich „die Hoffnung für alle“.<br />
Die Kreuzesleiter lässt uns denken an Jakobs Traum von der Himmelsleiter. Erinnern wir<br />
uns: Jakob ist auf der Flucht. Er hat seinen Bruder um das Erstgeburtsrecht und den väterlichen<br />
Segen gebracht. Er muss mit allem rechnen: mit dem tödlichen Zorn des Bruders e-<br />
benso wie mit Gottes Zorn. In der Einsamkeit der Wüste kommt er zum ersten mal zur Ruhe.<br />
Und da ist dann dieser Traum von der Leiter, die in den Himmel führt. Engel steigen hinauf<br />
und hernieder und Jakob darf eine besondere Offenbarung erleben. An der obersten Sprosse<br />
der Leiter steht Gott und macht ihm eine Lebenszusage: „Ich bin mit dir; ich behüte dich,<br />
wohin du auch gehst; ich bringe dich zurück in dieses Land. Ich verlasse dich nicht, bis ich<br />
vollbringe, was ich dir versprochen habe.“ (1. Mose 28, 15)<br />
Das ist wirklich eine besondere Offenbarung. Denn Jakob darf erfahren, dass Gott ganz anders<br />
reagiert als er es erwartet hat. Nicht als der rächende Gott, sondern als einer, dessen<br />
Treue und Liebe stärker ist als alle todbringenden Gefühle.<br />
An diesem Punkt wird der alttestamentliche Text zutiefst österlich. Denn was von Jakob gesagt<br />
ist, gilt in der einen oder anderen Form für uns alle. Beladen schleppen wir uns durch<br />
Wüstenzeiten, belastet von Sorgen und Ängsten, einem schlechten Gewissen womöglich, oft<br />
genug ohne Perspektive auf eine Besserung. Von Gottes Gegenwart merken wir nichts, fühlen<br />
uns gottverlassen, mancher gar von Gott bestraft. Wir sind am Boden. Es geht uns wie<br />
den Schatten auf dem Bild, die am Fuße des Kreuzes liegen.