Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische<br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
Hamburg-Winterhude<br />
in der<br />
E. Felix <strong>Moser</strong><br />
<strong>Pastor</strong><br />
Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis<br />
30. Juli <strong>2006</strong><br />
Predigttext: Philipper 2,1-4<br />
Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist<br />
herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr<br />
eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz<br />
oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich<br />
selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Briefe sind für Inhaftierte etwas ganz Besonderes – und zwar nicht nur Briefe, die sie bekommen,<br />
sondern ebenso sehr Briefe, die sie selbst schreiben. Sie geben den Gefangenen<br />
Gelegenheit, sich mitzuteilen, über Sorgen und Ängste zu sprechen und auch über Gefühle,<br />
die im Gespräch zu äußern ihnen schwerfällt (über Reue etwa oder auch über Liebe). eines<br />
aber ist sicher ausgesprochen selten: dass einer aus dem Gefängnis über seine Freude<br />
schreibt und zwar so ausführlich und begeistert, dass sein Brief als „Freudenbrief“ in die Geschichte<br />
eingegangen ist.<br />
Den haben wir heute vor uns. Vier Verse haben wir daraus gehört. Paulus schreibt an seine<br />
Gemeinde in Philippi. In immer neuen Worten und Wendungen bringt er seine Freude über<br />
die Gemeinde zum Ausdruck, die er selbst auf seiner zweiten Missionsreise (etwa im Jahr<br />
50) gegründet hat. Das ist nicht leicht nachzuvollziehen. Dass die Gemeinde so vorbildlich<br />
lebt, dass es ein Grund zur Freude ist, mag ja sein, aber dass diese Freude für Paulus in<br />
seiner notvollen Situation alles andere in den Schatten stellt, das ist schwer nachzuvollziehen.<br />
Klage hätte man erwartet, Bitte um Hilfe, vielleicht eine Art letzte Verfügung... Denn<br />
Paulus sitzt im Gefängnis in Ephesus. Grund dafür ist seine engagierte Missionsarbeit. Kein<br />
schweres Verbrechen nach heutigem Maßstab. Anders damals: Erregung öffentlichen Aufruhrs<br />
wird ihm vorgeworfen. Ein beschwerlicher Gefangenentransport nach Rom steht ihm<br />
bevor. Dort soll ihm der Prozess gemacht werden, ein Prozess mit ungewissem Ausgang.<br />
Paulus muss sogar damit rechnen, zum Tode verurteilt zu werden.<br />
Wer könnte in dieser Situation einen „Freudenbrief“ zu Papier bringen?! Paulus kann es. Es<br />
gibt ihm Kraft, an seine Gemeide in Philippi zu denken. Er liebt die Menschen dort und er<br />
freut sich, weil diese Menschen es schaffen, seinem Traum von einer christlichen Gemeinde<br />
so weitgehend zu entsprechen. „Herzliche Liebe“, „Gemeinschaft des Geistes“, Barmherzigkeit<br />
findet er dort im Gemeindeleben, ein guter Boden für Einmütigkeit, Demut und Nächstenliebe.<br />
Er will die Gemeinde stärken mit seinen Worten, merkt wohl aber auch, dass es ihm<br />
selbst Kraft gibt, sich der Gemeinde so mitzuteilen. Es ist eine Art Rückblick, ein Bilanzziehen.<br />
Immerhin hier, darf sich Paulus sagen, ist es gelungen, ein ganzes Stück weit das lebendig<br />
werden zulassen, was Jesus verkündigt hat. Zweitrangig, was mit mir selbst geschieht,<br />
die Sache Jesu geht weiter, ein wichtiges Lebensziel ist erreicht.<br />
Wagen wir den Sprung in unsere Zeit. Können wir einstimmen in die Freude des Paulus? Ist<br />
das, was Jesus wollte, bei uns verwirklicht? – Sicher nicht in vollem Maße, schon gar nicht<br />
weltweit, aber doch wenigstens so, dass wir sagen können: es gibt eine Art christlichen<br />
Common Sense, eine Übereinstimmung im Blick auf die wichtigsten christlichen Werte?