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Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund

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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />

Paul-Gerhardt Gemeinde<br />

<strong>Pastor</strong><br />

Hamburg-Winterhude Predigt am 24.12.06<br />

verdreht hält er den Kopf nach oben. Träumt er selig oder wendet er sich an Gott, dankend<br />

oder bittend?<br />

Es ist die Weihnachtsidylle, wie wir sie schätzen und genießen. Wer sie aber länger anschaut<br />

, dem werden nach und nach Einzelheiten an den Bildrändern auffallen; Einzelheiten,<br />

die irritieren.<br />

Die Idylle hält nur dem ersten Hinsehen stand. Unten fällt uns die Krippe ins Auge. Sie sieht<br />

nicht aus, wie die Krippen, die wir sonst kennen. Vor allem: Sie trägt einen Schriftzug: INRI<br />

(die Abkürzung für „Jesus von Nazareth, König der Juden“). Das ist nicht Weihnachten, das<br />

ist Karfreitag! Das ist der Schriftzug vom Kreuzesbalken Jesu. Wer das einmal erkannt hat,<br />

sieht seinen Blick nach oben gezogen: Dort oben das Dachgebälk – erinnert es nicht an die<br />

drei Kreuze auf Golgatha?<br />

Spätestens jetzt wir uns auch die Figur am unteren Bildrand verdächtig. Anfangs dachten wir<br />

vielleicht, es handele sich da um einen anbetenden Hirten. Jetzt erkennen wir: Es ist König<br />

David mit Purpur und Gebetsschal. Er ist die „Wurzel Jesse“; aus ihm erwächst der Stamm,<br />

aus dem Jesus hervorgeht. Deshalb ist er es, der hier auf dem Bild die Krippe trägt. Sogar<br />

Kleinigkeiten erhalten jetzt eine neue Deutung. Die fünf Christrosen am unteren Bildrand sind<br />

nicht nur Weihnachtsdeko. Sie stehen für die fünf Wundmale des Gekreuzigten.<br />

Wir merken schon: der Maler bildet hier nicht nur ein traditionelles Motiv ab. Vielmehr steigt<br />

er tief ein in die Verkündigung. Seine Botschaft: Lasst euch nicht gänzlich einhüllen von der<br />

Weihnachtsidylle! Schaut genauer hin, hinter die Fassade! Begreift etwas von dem, was<br />

Weihnachten auch ist: die Geburt des Gottessohnes, der mit dem Tag seiner Geburt für euch<br />

einen schweren Weg antritt. Für den Maler ist klar: Mit dem Tag der Geburt steht das<br />

Schicksal Jesu fest; mit dem Tag der Geburt beginnt der Leidensweg. Die Krippe steht bereits<br />

im Schatten des Kreuzes.<br />

Das können die Hirten noch nicht erkennen, nicht einmal die drei Weisen erahnen es. Während<br />

die himmlischen Heerscharen jubeln, tun sie das, was die Stunde gebietet: sie feiern,<br />

sie danken, sie leben auf in neuer Hoffnung. Bei uns ist es nicht anders. Feiern und danken,<br />

aufleben und träumen – das ist auch für uns das Gebot der Stunde. Natürlich genießen wir<br />

unser Weihnachtsidyll. Wir brauchen das für unsere Seelen. Und doch sind wir zweitausend<br />

Jahre später in einer anderen Situation als die ersten Besucher im Stall von Bethlehem. Wir<br />

wissen, wie die Geschichte weitergeht, wir wissen, wie sie ausgeht und wir wissen, was der<br />

Weg Jesu, sein Tod und seine Auferstehung bedeuten.<br />

Deshalb lasst uns den Mut aufbringen und der Einladung des Malers folgen. Lasst uns das<br />

Weihnachtsidyll ein Stück weit aufbrechen und schauen, was dahinter zutage kommt.<br />

„Friede und Liebe gibt es nicht“, lese ich dieser Tage in der Zeitung. Der darauf folgende Artikel<br />

spricht über das Bethlehem unserer Tage. Da verblasst das Idyll der weihnachtlichen<br />

Krippe; da treten die Kreuze von Golgatha hervor. Es ist einige Jahre her, dass ich Bethlehem<br />

besucht habe. Höhepunkt für alle Christen, die Bethlehem besuchen, ist natürlich ein<br />

Gang durch die Geburtskirche. Damals selbstverständlich, heute ist das kaum noch möglich.<br />

Bethlehem ist jetzt von einer zehn Meter hohen Mauer umgeben. Nur ein Stahltor gibt es als<br />

Eingang zur Stadt. Das Stahltor steht am Ende eines Tunnels aus Stacheldraht. „Anti-Terror-<br />

Sicherheitswall“ ist der amtliche Name dieser martialischen Grenzbefestigung.<br />

Er soll dazu dienen, Juden und Palästinenser zu trennen. Christen gibt es schon lange nicht<br />

mehr. In den 50er Jahren waren noch 80 Prozent der Bevölkerung von Bethlehem Christen,<br />

heute sind es nur noch wenige, nämlich die, die es sich aus finanziellen Gründen nicht leisten<br />

können zu fliehen.<br />

Aber das ist noch nicht alles. Was wir als Außenstehende kaum nachvollziehen können: In<br />

den letzten Wochen ist ein Bürgerkrieg der Palästinenser untereinander hinzugekommen.<br />

Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah drohen in diesen Tagen auf<br />

Bethlehem überzugreifen. Das so genannte Peace-Center (Friedenszentrum) in Bethlehem<br />

ist geschlossen worden.

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