Predigten Pastor Moser 2006 - Alsterbund
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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong><br />
Paul-Gerhardt Gemeinde<br />
<strong>Pastor</strong><br />
Hamburg-Winterhude Predigt am 02.07.06<br />
und das durch unsere eigene Schuld. Halbwahrheiten, Unwahrheiten, Verletzungen durch<br />
unbedachte Äußerungen, all das verdunkelt unser Leben und macht unsere Gemeinschaft<br />
krank. Das Schlimmste dabei (und das ist das, was die Bibel eigentlich mit „Sünde“ meint):<br />
Dass Gott nicht mehr die entscheidende Rolle in unserem Leben spielt, bei manchen sogar<br />
gar keine Rolle mehr. Wenn wir nicht mehr nach ihm und seinem Willen fragen, wenn wir uns<br />
nicht auf ihn besinnen, trennen wir uns von ihm. Wir lassen zu, dass sich etwas zwischen<br />
Gott und uns schiebt. Das Ergebnis ist dann zwar keine Sonnenfinsternis, aber es ist so etwas<br />
wie eine Gottesfinsternis. Die Trennung von Gott verdunkelt das Licht, das von ihm her<br />
auf mich fällt. Ich bin in fahles Licht getaucht; ich bin im Finstern unterwegs.<br />
Ich glaube, den meisten Menschen unserer Tage ist dieser Zusammenhang gar nicht bewusst.<br />
Viele haben sich schon allzu sehr eingerichtet in ihrem Halbdunkel und halten das für<br />
den normalen Zustand. Und doch ist zugleich das Gefühl für eine Sehnsucht nach etwas anderem<br />
da.<br />
Mir fällt auf, in welchem Zusammenhang heute vom Licht die Rede ist. Ganz viel davon bezieht<br />
sich auf den religiösen Raum. Da gibt es medizinische und spirituelle Angebote, sogenannte<br />
„Lichttherapien“. Das Wort „Therapie“ lässt tief blicken. Die Anbieter haben es erkannt:<br />
Hier geht es um einen Mangel, der krank macht. Das ist ein Leiden der Zeit. Damit<br />
lässt sich Kasse machen. Andere Angebote vom Esoterik-Markt bestätigen das: „Lichtkreise“<br />
und „Lichtpyramiden“ werden angeboten und tatsächlich sind es nicht wenige, die dem zuströmen<br />
und bereit sind, viel Geld dafür auszugeben.<br />
Aber die Sehnsucht nach Licht findet sich nicht nur im religiösen Bereich, sondern ebenso in<br />
ganz weltlichen Zusammenhängen. Es genügt, allein die tagespolitischen Meldungen daraufhin<br />
abzuhören, etwa die Diskussion um die Gesundheitsreform. Mehrfach mittlerweile hat<br />
die Kanzlerin versichert, „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen. Wer dem Glauben schenkt,<br />
soll aufatmen, soll Ruhe finden. Denn „Licht“ steht auch in diesem Zusammenhang für Klarheit<br />
und Wahrheit; für Helligkeit, die Leben erst möglich macht.<br />
Gibt es einen Weg dahin? Wie lässt sich der Weg zum lebenspendenden Licht finden? Der<br />
Johannesbrief antwortet darauf mit einem Wort, das uns die Sache nicht leichter macht. Auf<br />
der Seite von Dunkelheit und Sünde spricht der Johannesbrief von „Schuld“. Für den, der<br />
zurück zum Licht will, gibt es keinen anderen Weg als den, die eigene Schuld zu sehen, sie<br />
einzugestehen und sie sich vergeben zu lassen. Das hört sich so leicht an. Ich denke aber,<br />
dass gerade unsere Zeit heute damit immense Schwierigkeiten hat. Von Schuld und Sünde<br />
mag keiner mehr reden. Das sind überholte moralische Begriffe, selbst in der Pädagogik und<br />
Psychologie kaum noch zu finden. Da hat sich – fast unmerklich – etwas verschoben, und<br />
nur der merkt es, der genau hinhört. Achten Sie mal darauf: Heute wird nicht mehr von<br />
„Schuld“ gesprochen, sondern von „Schuldgefühlen“. Das ist schon ein Unterschied! Bloße<br />
Gefühle geben beileibe nicht das wieder, was tatsächlich existiert. Entsprechend ist dann<br />
auch nicht von Vergebung die Rede. Vielmehr davon, dass solche Gefühle von der Umwelt<br />
„übertragen“ oder gar aufgenötigt worden seien; nun müssen sie „bearbeitet“ oder „aufgearbeitet“<br />
werden. „Ich bin Schuld“ – das gilt in der Regel als ein unzutreffender Satz; wenn ü-<br />
berhaupt, sind es andere („die Gesellschaft“, „der Zeitgeist“, oft genug auch „die Kirche“),<br />
jedenfalls nicht ich persönlich.<br />
Ein kluger Mann hat geschrieben: „Gott ist Licht. Wir dagegen bewegen uns sehr oft im Zwielicht.<br />
Bei uns besteht Verdunkelungsgefahr“. Ich denke, damit hat er Recht. Da, wo wir statt<br />
von Schuld nur noch von Schuldgefühlen sprechen, verdunkeln wir die tatsächlichen Verhältnisse.<br />
Zugleich machen wir uns den Weg zum Licht unendlich schwer. Wer dahin will,<br />
muss auch die dunkelsten Anteile „ans Licht bringen“ lassen. Deshalb ist es gut, wenn wir<br />
das Sündenbekenntnis, das am ersten Sonntag im Monat am Anfang unseres Gottesdienstes<br />
steht, nicht nur als regelmäßige fromme Übung verstehen. Das ist schon ein besonderer<br />
Akt! Es stellt mich direkt vor Gott. In dem Moment, wo ich Gott gleichsam „Auge in Auge“ gegenübertrete<br />
und meine Sünden als mein eigen es Tun bekenne, trete ich in das Licht der<br />
Wahrheit. Das ist das Besondere bei diesen Johannesversen. Er beschreibt das Sündenbekenntnis<br />
als ungeheuren Befreiungsschlag: mit einem Schritt vom Dunkel ins Licht; mit einem<br />
Schritt ins Leben.