Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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16 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
muliert, um den umfassenden Anspruch der Familienpolitik lebendig zu halten. Z.B. hatte das<br />
erste Familienministerium der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1953 noch keine eigenen<br />
Gesetzgebungskompetenzen und verstand sich daher als „Wachturm“-Ministerium (Joosten<br />
1990). Eine ähnliche Denkfigur stellt die Rede von der Familienpolitik als „Querschnittsaufgabe“<br />
dar (vgl. Wingen 1965).<br />
Im Begriff der „familienbezogenen“ Politik erscheint diese Ideenkonstellation in neuem Gewand.<br />
Sie ist Ausfluß der kontinentaleuropäischen Form der kulturellen Konstruktion von<br />
Familie als einem öffentlich bedeutsamen Bereich. Während die angelsächsische Tradition,<br />
die auf Prinzipien des Protestantismus und Liberalismus beruht, keine explizite Familienpolitik<br />
entwickelt hat, ist der Bezugspunkt der skandinavischen Länder, die sozialdemokratisch<br />
geprägt sind, weniger die Familie als Ganzes als die einzelnen Familienmitglieder, zuvörderst<br />
die Kinder und die Mütter.<br />
Verschiedene Klassifikationssysteme familienpolitischer Zielsetzungen (z.B. Herlth/-<br />
Kaufmann 1982, Wingen 1981) tragen dieser Situation Rechnung, indem unterschiedliche<br />
Bezugspunkte familienpolitischer Programme benannt werden (Familie als Institution, Gebundenheit<br />
der Person in der Familie, Familienmitgliederpolitik, Bevölkerungspolitik etc.).<br />
Zu einer umfassenden Definition „familienbezogener“ Politik ist es im Rahmen dieser Überlegungen<br />
jedoch nie gekommen, da jede sozialwissenschaftliche Analyse politischer Gegebenheiten<br />
an die in den jeweiligen Politikfeldern vorherrschenden Gegenstands- und<br />
Situationsdefinitionen anknüpfen muß.<br />
Aus diesem Grund müssen Versuche einer Ausweitung des Beobachtungsumfangs, wie sie in<br />
dem umfassenden Anspruch der hier diskutierten Begrifflichkeit angezielt sind, skeptisch beurteilt<br />
werden. Ein bestimmtes Verständnis von Familie und Familienpolitik, das sich institutionell<br />
nie eindeutig niedergeschlagen hat, wird zwar zugrundegelegt, ohne daß jedoch die sozialwissenschaftlichen<br />
Mittel bereitstünden, diesen Anspruch auch einzulösen. Dies läßt sich<br />
auch an dem nun folgenden Gesichtspunkt zeigen.<br />
2.2 Tableau möglicher Politikbereiche<br />
Kurt Bierschock hat in einem frühen Arbeitspapier, das später durch weitere Darstellungen<br />
ergänzt wurde, einen Überblick über das Feld der familienbezogenen Politik zu geben versucht.<br />
2 Hierbei werden neben einer langen Liste von Politikbereichen auch folgende Kernpolitikfelder<br />
genannt:<br />
• die Arbeitsmarktpolitik bzw. Beschäftigungspolitik;<br />
• das Arbeitsrecht, vor allem hinsichtlich seiner Bestimmungen zu Mutterschutz, Erziehungsurlaub<br />
und Teilzeitarbeit;<br />
• das Familienrecht als Bestandteil der Rechtspolitik;<br />
2<br />
Kurt Bierschock, November 1996, Arbeitspapier: Ein erstes Inventar möglicher Felder familienrelevanter<br />
Politik. Ders., Arbeitspapier o.J.: Einige Anmerkungen zu Forschungsfragen im Projekt „Dauerbeobachtung“.