Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Bierschock: Implementation des KJHG 75<br />
von sozialem Kapital in ihren vielfältigsten Formen 5 nachrangig wird. Dies könnte u.a. zu einer<br />
stärkeren gesellschaftlichen (und vielleicht auch: materiellen) Anerkennung der Produktion<br />
sozialen Kapitals durch die Familien führen, aber auch zu einer Diversifizierung der Angebotsseite<br />
in der Form neuer (Selbst-)Hilfeofferten, die der Pluralisierung der Lebenslagen<br />
von Familien und ihren Bedarfen durch paßgenauere Rahmenbedingungen und Inhalte stärker<br />
entsprechen. Insbesondere diese Entwicklungstendenzen und die sie sehr wahrscheinlich begleitenden<br />
Veränderungen in der Sozialgesetzgebung - einschließlich dem KJHG - müssen<br />
dauerhaft beobachtet und hinsichtlich ihrer realen Auswirkungen auf die Familien evaluiert<br />
werden.<br />
6. Conclusio<br />
Die Frage, ob das KJHG tendenziell mit der Familie oder gegen sie implementiert werde, muß<br />
beim Stand der Implementierung vor der Reform der Jugendhilfeverwaltung eher im Sinne<br />
der zweiten Möglichkeit beantwortet werden. Während die sozialpädagogischen Strukturmaximen<br />
im Rahmen der fachlichen Tätigkeit der Jugendämter im Sinne des Gesetzes familienund<br />
lebensweltbezogen sind und im Rahmen der fachlichen Tätigkeit der Jugendhilfe auch<br />
weitgehend angewandt werden, ist eine tragende Säule des KJHG - die Jugendhilfeplanung -<br />
zum einem weder flächendeckend noch konsistent implementiert, zum anderen ist die Ausrichtung<br />
auf Bedarfsgerechtigkeit und Partizipation von Familien auf den Ebenen der Jugendhilfeausschüsse<br />
und der Jugendhilfeplanung - vor allem gemessen an den Erfordernissen der<br />
Sozialraumplanung - strukturell wie inhaltlich unbefriedigend.<br />
Hinzu kommt, daß die vollständige Implementation der KJHG-Strukturen gegenwärtig stark<br />
von der Fachdiskussion über die betriebswirtschaftlichen Konnotationen der Reform der<br />
Verwaltung der öffentlichen Jugendhilfe beeinflußt und überlagert wird. Wie aufgezeigt wurde,<br />
sind viele Begrifflichkeiten und Strukturelemente wegen der Priorität von Effektivität und<br />
Effizienz tendenziell gegen die Erreichung von Bedarfsgerechtigkeit und Familienbezogenheit<br />
ausgerichtet. Die Implementierung der „Neuen Steuerung“ birgt jedoch neben Risiken<br />
aufgrund der zunehmenden Ökonomisierung von Jugendhilfemaßnahmen und -teilbereichen,<br />
auch Chancen, die sich aus der Koproduzenteneigenschaft der betroffenen Familien und aus<br />
der Beteiligungsverpflichtung in der Sozialraumplanung ergeben können. Ein weiterer Wandlungsprozeß<br />
in der Jugendhilfe- und Sozialpolitik kündigt sich jedoch bereits an: Unter dem<br />
Vorzeichen des Wohlfahrtspluralismus kommen neue Herausforderungen auf die Familien zu.<br />
Die Evaluation der Implementierung des KJHG sieht sich somit drei zeitlichen Horizonten<br />
bzw. zwei Implementierungsstadien und einem Möglichkeitsraum gegenüber. Deshalb ist eine<br />
kontinuierliche Beobachtung der Entwicklung der Jugendhilfepraxis nach dem KJHG in all<br />
ihren Facetten, insbesondere aber der Jugendhilfeplanung und der Auswirkungen der „Neuen<br />
Steuerung“ dringend geboten.<br />
5<br />
z.B. Beiträge von seiten der Familien, der informellen Netzwerke, zivilgesellschaftlicher Initiativen, des<br />
Marktes, aber auch der freien Träger und des Staates.