Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Baas: Geschlechterleitbilder in politischen Reden 57<br />
„Deshalb brauchen wir einen kontinuierlichen gesellschaftlichen Dialog <strong>zur</strong> Gleichberechtigung<br />
von Frauen und Männern. Nur wenn alle gesellschaftlichen Gruppen, alle<br />
Handlungsträger in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mitmachen, kommen wir weiter“.<br />
(Nolte 1997a)<br />
Das andere Geschlecht erscheint wiederum als eine nur schwer zu überwindende Hürde auf<br />
dem Weg <strong>zur</strong> Gleichberechtigung bzw. Vereinbarkeit von Familie und Beruf:<br />
„Wenn es nicht gelingt, Männer mehr in die Verantwortung von Familienpflichten zu<br />
nehmen, werden sich die Benachteiligungen für Frauen nur schwer abbauen lassen“.<br />
(Nolte 1995)<br />
3.6 Zusammenfassung und Diskussion<br />
Als wichtigstes Ergebnis dieser Untersuchung muß zunächst festgestellt werden, daß die These<br />
einer linearen Traditionalisierung des Frauenleitbildes in Abhängigkeit von der Arbeitsmarktentwicklung<br />
nicht vollständig bestätigt werden kann, sind doch schon während Heiner<br />
Geißlers Amtszeit Hinweise auf ein Frauenleitbild vor dem Hintergrund der Geschlechterpolarität<br />
erkennbar. Trotzdem vertritt Heiner Geißler noch am ehesten ein Frauenleitbild, welches<br />
- zumindest anfänglich - von vollständiger Wahlfreiheit bestimmt ist. Die eingeschränkte<br />
Wahlfreiheit von Frauen und damit deren Benachteiligung ist Ergebnis, nicht aber notwendiges<br />
Fundament der Industriegesellschaft. Es gelte, den aktiv von Männern diskriminierten<br />
Frauen die Wahlfreiheit bzw. Gleichberechtigung vor allem auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.<br />
Handlungsbedarf sieht Geißler dabei vor allem bei „den Männern“.<br />
Im Sinne der These lassen sich dann in den analysierten Reden Hinweise auf den vermuteten<br />
Traditionalisierungsprozeß des Frauenleitbilds finden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die<br />
Personen, die diese Reden gehalten haben, öffentliche Rollenträger sind. Die Texte geben<br />
nicht unbedingt ihre persönliche Meinung wieder, sondern werden in einem komplexen Prozess<br />
in den jeweiligen Ministerien erstellt. Unterschiedliche Akzentsetzungen und Nuancen<br />
sind von vielen Faktoren abhängig. Z.B. von den Beiträgen der einzelnen Referate des Ministeriums<br />
zum Redetext, dem federführenden Autor im Ministerium, dem Kontext, in dem die<br />
Rede gehalten wird oder den aktuellen politischen Botschaften, die in einer bestimmten Situation<br />
vom Ministerium vertreten werden. Dies alles ist zu berücksichtigen, wenn hier in Kurzform<br />
jeweils die Namen der MinisterInnen, die diese Reden gehalten haben, als Markierungspunkte<br />
in einem Prozeß genannt werden, der mit Hilfe der These rekonstruiert werden soll.<br />
Ab etwa 1985 (Rita Süssmuth) verändert sich die Argumentation und damit das Frauenleitbild<br />
deutlich: Ausgehend von einer angenommenen Doppelorientierung der Frauen - sie wollen<br />
Beruf und Familie miteinander vereinbaren - reduziert sich die Wahlfreiheit bzw. Gleichberechtigung,<br />
dem Wunsch der Frauen entsprechend, <strong>zur</strong> Vereinbarkeit von Familie und Beruf.<br />
Diese Vereinbarkeit wird zum zentralen Gegenstand der Frauen-, Familien- und Gleichberechtigungspolitik<br />
bestimmt. Der Eigenwert dieser „Wahlfreiheit“ wird von diesem Augenblick<br />
an bis in die 90er Jahre nur noch mit der Feststellung begründet, daß die Realität nicht<br />
mit der rechtlichen Entwicklung, etwa im Grundgesetz, übereinstimme. Durch die als gegeben<br />
betrachtete Doppelorientierung der Frauen wird die Rollenverteilung, die die Kindererziehung<br />
hauptsächlich der Frau zuordnet, kaum mehr in Frage gestellt. Auch wenn die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf prinzipiell den Männern offenstehe, wird deren scheinbar unveränder-