Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Baas: Geschlechterleitbilder in politischen Reden 41<br />
1. Zusammenhänge zwischen Frauenleitbild und der Entwicklung<br />
des Arbeitsmarktes<br />
Nicht erst seit der Bildungsreform Ende der 60er Jahre wird die gesellschaftliche Forderung<br />
nach Gleichberechtigung der Geschlechter erhoben: Im Rahmen der Neuordnung des Bildungssystems<br />
sollte aber vor allem Frauen durch die Ressource „Bildung“ der gleichberechtigte<br />
Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Dem veränderten Rollenverständnis der<br />
(Ehe-)Frauen wurde darüber hinaus auch im Bereich des Rechts entsprochen: Die Reform des<br />
Ehe- und Familienrechts 1976 gab die Zuordnung von Männern und Frauen zu unterschiedlichen<br />
Lebensbereichen auf. Die „Arbeitsteilung“ zwischen den Eheleuten wurde in deren eigenes<br />
Ermessen gestellt.<br />
Diesem Modell der egalitären Partnerschaft, welches zunehmend zum Bestandteil weiblicher<br />
Lebenspläne wurde, steht nach wie vor das Leitbild der bürgerlichen Familie und männlichen<br />
Versorgerehe entgegen. Die damit verbundene Geschlechterpolarität ordnet nicht nur Männer<br />
und Frauen verschiedenen, einander ausschließenden Lebensbereichen zu - die Familien- und<br />
Erzieherrolle der Ehefrau, die Erwerbsrolle dem Ehemann -, sondern beinhaltet darüber hinaus<br />
auch eine deutliche strukturelle Benachteiligung von Frauen im Erwerbssystem. Tatsächlich<br />
ist die mit diesem Rollenverständnis zusammenhängende horizontale und vertikale geschlechtsspezifische<br />
Segregation des Arbeitsmarktes zu Lasten der Ehefrauen noch immer zu<br />
beobachten: Frauen werden nach wie vor - im Rahmen genereller Ausschließungstendenzen -<br />
sowohl überwiegend in unteren Hierarchierängen beschäftigt als auch in solchen Branchen,<br />
die eine vergleichsweise niedrige Bezahlung oder Arbeitsplatzsicherheit aufweisen. 1<br />
Gesellschaftsweit werden somit zwei die Frau betreffende und sich entgegenstehende Rollenzuordnungen<br />
und damit Frauenleitbilder nicht nur diskutiert, sondern auch gelebt. Der Fokus<br />
dieser Untersuchung nun richtet sich auf die Analyse und Rekonstruktion der familienbezogenen<br />
Zielvorstellungen ausgewählter politischer Akteure. Grundlage für diese Vorgehensweise<br />
ist die Überzeugung, daß die verschiedenen Leitbilder innerhalb des öffentlichen bzw.<br />
politischen Diskurses über Familie und damit zusammenhängende Fragestellungen erkennbar<br />
sind. Konkret werden Reden der bisherigen FamilienministerInnen für den Zeitraum der<br />
christlich-liberalen Union von 1982 bis 1998 analysiert, um in ihnen enthaltene Frauenleitbilder<br />
herauszuarbeiten. Der Zeitpunkt des Regierungswechsels wurde gewählt, um vor dem<br />
Hintergrund einer traditionellen Familienvorstellung die Entwicklung vor allem des Frauenleitbildes<br />
bis in die Gegenwart darzustellen. Den Untersuchungszeitraum auszudehnen hieße<br />
zunächst einmal unterschiedliche Leitbildvorstellungen innerhalb des Parteienspektrums herauszuarbeiten.<br />
Demgegenüber soll hier die Entwicklung des Frauenleitbildes ausgehend von<br />
Heiner Geißler bis hin <strong>zur</strong> derzeitigen Bundesfamilienministerin Claudia Nolte untersucht<br />
werden.<br />
Als These gilt, daß auf der Grundlage eines christlich-liberalen und damit in seiner Grundtendenz<br />
konservativen Familienverständnisses das Frauenleitbild bis hin <strong>zur</strong> Gegenwart eine<br />
deutliche Zunahme traditionaler Elemente erfahren hat. In dieser Perspektive soll Heiner<br />
Geißler eher als Vertreter eines Leitbildes verstanden werden, welches etwa eine gleichbe-<br />
1<br />
Typische „Frauenbranchen“ sind derzeit etwa die Textil- und Bekleidungsindustrie, der Groß- und Einzelhandel,<br />
die Nahrungs- und Genußmittelindustrie und vor allem der Dienstleistungssektor.