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Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern

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50 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />

Gleichberechtigung bzw. Wahlfreiheit wird vor allem auf den Arbeitsmarkt bezogen, die<br />

weibliche Nicht-Erwerbstätigkeit wird von Geißler als Hinweis auf fehlende Selbständigkeit<br />

gedeutet. Die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt gelte es überwinden, entschieden lehnt<br />

er den Status weiblicher Erwerbsarbeit als „Zuverdienerjobs“ und die Sichtweise von weiblichen<br />

Arbeitskräften als „konjunkturpolitischer Manövriermasse“ ab. Allerdings geht Geißler<br />

davon aus, daß Frauen durch Familienarbeit spezifische Eigenschaften erwerben, indem er<br />

fordert, daß diese „Tugenden“ (Gelassenheit, Einfühlungsvermögen, Übersicht) auch in der<br />

Arbeitswelt Anerkennung finden sollten: Dies ist ein deutlicher Hinweise auf eine mögliche<br />

Geschlechterpolarität. Überhaupt wird der Familie in späteren Reden eine immer größere<br />

werdende Bedeutung eingeräumt, selbst wenn keine eindeutige Zuordnung der Kindererziehung<br />

und kein präferiertes Muster der weiblichen Erwerbsbiographie festzustellen ist:<br />

„Es ist kein Naturgesetz, daß sich Arbeitswelt und die Familienwelt unvereinbar gegenüberstehen<br />

[...] In Zukunft müssen die Rahmenbedingungen der industriellen [...] auch an<br />

der Familie orientiert werden“. (Geißler 1983a)<br />

So ist gegen Ende seiner Amtszeit eine deutliche Veränderung in seiner Argumentation sichtbar:<br />

Ausgehend vom Versuch, Familienarbeit aufzuwerten, wird vor allem jungen Frauen eine<br />

Doppelorientierung - Familie und Beruf - zugeschrieben. Über den „rhetorischen Umweg“:<br />

„Allerdings ist für viele junge Frauen die Selbstverwirklichung im Beruf nicht alles“<br />

(Geißler 1984)<br />

wird indirekt eine Rollenverteilung vorgenommen, da von einer - wenn auch nicht dominanten<br />

- Familienorientierung der Frauen ausgegangen wird. Die Grundstruktur dieser Argumentation<br />

ist durch folgende Zitate gut belegt:<br />

„Männer und Frauen sollen gleichberechtigt entscheiden können, welche Aufgaben sie<br />

erfüllen“, aber: „Die große Mehrheit der Frauen [...] will Familie und Berufstätigkeit<br />

miteinander verbinden“. (Geißler 1985)<br />

3.2 1985 bis 1988 (Rita Süssmuth)<br />

Dieser Zeitraum ist durch die Weiterentwicklung des bislang nur vage angesprochenen Modells<br />

gekennzeichnet: Die Partnerschaft zwischen Frau und Mann thematisiert vorrangig die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf und beinhaltet in jedem Fall Kinder:<br />

„Eine größere Vereinbarkeit von Familien- und Arbeitswelt gehört zu den zentralen Herausforderungen<br />

unserer Zeit“. (Süssmuth 1987b)<br />

Die Familie wird zum notwendigen Gegenpol des Arbeitslebens, Familie und Kinder werden<br />

als vorrangiger Wunsch aller Männer und Frauen dargestellt. Kinderlosigkeit und außerfamiliale<br />

Lebensformen werden mit „grenzenlosem Individualismus“ und „Unabhängigkeitsstreben“<br />

in Verbindung gebracht, für welche aber ein „hoher Preis gezahlt“ werden müsse.<br />

Gleichberechtigung bzw. Wahlfreiheit, die im übrigen nur noch mit dem Gleichheitsgrundsatz<br />

der Verfassung begründet wird, reduziert sich <strong>zur</strong> Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder<br />

der vollständigen Aufgabe des Berufs zugunsten der Familienarbeit. Da die Doppelorientierung<br />

als gegeben angenommen wird („Frauen wollen zunehmend Familie und Beruf zu Bereichen<br />

ihres Lebens machen“, Süssmuth 1987), wird die Rollenverteilung, die Kindererziehung<br />

als Aufgabe der Frau betrachtet, kaum mehr in Frage gestellt. Zwar räumt Süssmuth ein,

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