Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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52 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
soziale Wirklichkeit, die Frauen nach wie vor benachteilige, da ihnen alleine die Familienarbeit<br />
zugeschrieben werde. Über die Aufwertung der Familienarbeit - zu dieser zählt jetzt auch<br />
die Pflege älterer Angehöriger - gelangt sie zu ihrem Verständnis von Gleichberechtigung:<br />
„Eine wirkliche Gleichberechtigung entscheidet sich an der Frage der Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf“. (Lehr 1989)<br />
Die Gleichberechtigung wird abermals <strong>zur</strong> Freiheit, den Beruf aufzugeben oder im Rahmen<br />
des Phasenmodells mit Familienarbeit zu vereinbaren. Auch wenn sie das Phasenmodell explizit<br />
als einzige Lösungsmöglichkeit ablehnt, 5 vertritt sie immer wieder die Überzeugung,<br />
das Dilemma der doppelten Orientierung könne am besten durch das Phasenmodell gelöst<br />
werden:<br />
„Über 80% der jungen Frauen und Männer wollen beide Bereiche miteinander verbinden,<br />
und zwar ohne, daß das Familienleben darunter leidet. Und von daher ist es verständlich,<br />
daß viele junge Frauen - zunehmend auch junge Männer - zumindest eine Zeit<br />
lang aus dem Erwerbsleben ausscheiden, der Familie, der Kinder zuliebe“. (Lehr 1990)<br />
Mit Hilfe eines statistischen und damit zugleich auch rhetorischen Tricks relativiert sie sogar<br />
die tatsächliche Relevanz des Phasenmodells. Durch den Bezug auf das „Erwerbspersonenkonzept“<br />
suggeriert sie, daß nur wenige Mütter ihre Berufstätigkeit unterbrechen:<br />
„Aber nicht einmal jede zweite der erwerbstätigen Mütter unter 35 Jahren unterbricht<br />
überhaupt ihre Erwerbstätigkeit. Daraus kann man [...] schließen, daß diese Frauen eine<br />
sehr große Erfüllung in ihrem Beruf finden und einen Weg gefunden haben, Familienaufgaben<br />
und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden“. (Lehr 1990) 6<br />
Männliche Rollen werden kaum thematisiert: Zwar könne Gleichberechtigung nur gemeinsam<br />
mit den Männern erreicht werden 7 , auch richten sich Maßnahmen der Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf auch an Männer, sie wolle aber Männern keine Vorschriften machen:<br />
„Sicherlich wird zu Recht kritisiert, daß [...] zu wenig Männer vom Erziehungsurlaub<br />
Gebrauch machen. [...] Aber wir haben wenigstens einen Anfang gemacht. [...] Es ist<br />
nicht unsere Aufgabe, Männer und Frauen in bestimmte Rollen zu zwingen“. (Lehr 1989)<br />
Über eine derartige Argumentation - Männer sind ohnehin nicht bereit, ihr Rollenverhalten zu<br />
ändern - wird die Vereinbarkeit und damit die Familientätigkeit zu einer rein weiblichen<br />
Problematik:<br />
„Gerade weil Familie für unsere gesellschaftliche Entwicklung, für Kinder [...] so wichtig<br />
sind, müssen die Interessen derer wahrgenommen werden, durch deren Engagement<br />
und Einsatzbereitschaft Familienleben überhaupt erst möglich ist. Und das sind nun einmal<br />
bis auf wenige Ausnahmen die Frauen“. (Lehr 1990)<br />
5<br />
6<br />
7<br />
„Die Lebensplanungen und Lebensentwürfe von Frauen sind vielgestaltig und lassen sich auf kein Modell -<br />
sei es das ‘Hausfrauenmodell’ [...], das ‘Erwerbstätigenmodell’ [...] oder gar das ‘Drei-Phasen-Modell’ der<br />
Berufs- und Familientätigkeit - reduzieren“. (Lehr 1989)<br />
Im „Erwerbspersonenkonzept“ gelten auch diejenigen Arbeitnehmer bzw. Mütter als Erwerbspersonen, die<br />
sich im Erziehungsurlaub befinden.<br />
„Echte Gleichberechtigung läßt sich nicht im Kampf gegen die Männer erreichen [...] Warum sollte es nicht<br />
gelingen, ein stärkeres Engagement für die Familie auch den Männern schmackhaft zu machen“. (Lehr<br />
1989).