Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
Es mag sein, daß diese Vielgestaltigkeit des Familienbegriffs einigermaßen gebändigt werden<br />
kann, wenn man sich auf das relativ gut eingrenzbare, weil institutionalisierte Feld der Familienpolitik<br />
im engeren Sinne bezieht (Münch 1990, Wingen 1997). Zumindest ist es möglich,<br />
wie die genannten Überblicksdarstellungen zeigen, pragmatisch verschiedene Dimensionen<br />
des Familienbegriffs zu identifizieren, die in der Politik eine Rolle spielen. Z.B. setzen eine<br />
Reihe von politischen Maßnahmen an der Unterhaltsverpflichtung an, die Eltern gegenüber<br />
ihren minderjährigen oder in Ausbildung befindlichen Kindern haben, an weitergehenden Unterhaltsverpflichtungen<br />
(der Kinder gegenüber ihren Eltern oder zwischen erwachsenen Generationen)<br />
oder an anderen zum Teil als subjektiven Rechten formulierten Vorschriften für die<br />
Gestaltung materieller oder sozialer Beziehungen zwischen verwandten Personen.<br />
Angesichts der strukturellen Veränderungen des Familienlebens in den letzten 35 Jahren<br />
(Peuckert 1996, Nave-Herz 1994) ist dieser Bereich der öffentlich zugeschriebenen Bedeutung<br />
von Familie (zum Konzept „familienbezogene Politik“ siehe Kapitel 2) heute nicht mehr<br />
deckungsgleich bzw. immer weniger deckungsgleich mit den tatsächlich vorgefundenen Lebensformen.<br />
Beziehungsabbrüche durch Scheidungen oder Alleinerziehen, die Neuformierung<br />
familiärer Beziehungen durch Stiefelternschaft oder Adoption, das Bestehen von Solidarbeziehungen<br />
jenseits des vorherrschenden Kernfamilienmodells (Ehe und leibliche Kinder)<br />
in Form nichtehelicher Lebensgemeinschaften u.ä. repräsentieren Formen privater Lebensführung<br />
jenseits eines immer noch dominierenden Musters, die in vielfacher Weise in der<br />
öffentlichen Diskussion als regelungsbedürftig angesehen werden.<br />
Hierbei handelt es sich jedoch um den Bereich der Familienpolitik im engeren Sinne. Verschiedentlich<br />
wurde in den internen Diskussionen darauf hingewiesen, daß sowohl andere Bereiche<br />
der familienbezogenen Politik, z.B. Arbeitsmarkt- oder Wohnungsbaupolitik, wie auch<br />
eine Vielzahl von Datenquellen der sozialwissenschaftlichen Forschung weniger einen Familienbezug<br />
denn einen Haushaltsbezug aufweisen. Während sich im familienpolitischen Diskurs<br />
im engeren Sinne mehr oder weniger explizite, wenn auch widerstreitende Begrifflichkeiten<br />
von Familie identifizieren lassen, geht es in vielen anderen Politikbereichen bzw.<br />
Datenquellen entweder um implizite Begriffe oder um Sozialbeziehungen, die kaum noch als<br />
Familie konturiert sind. Dieser Diskussionsstand ist in unterschiedlicher Weise in die hier<br />
präsentierten Fallstudien eingeflossen. Auch hier ist, wie bei der Frage der Berücksichtigung<br />
von Forschungsergebnissen <strong>zur</strong> Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens in der Programmentwicklung,<br />
der Bezug eher indirekter Natur.<br />
Statt einer grundsätzlichen Infragestellung dominierender Familienbegriffe wendet Andreas<br />
Netzler in seinem Beitrag eher analytische Differenzierungen an und diskutiert Familien in<br />
unterschiedlichen Lebenssituationen und als dynamischen Prozeß. Der Beitrag von Stephan<br />
Baas macht auf die Tatsache aufmerksam, daß neben der Perspektive, Familie als eine Einheit<br />
anzusehen, auch die einzelnen „Mitglieder“ der Familie betrachtet werden können (siehe auch<br />
Herlth/Kaufmann 1982). Auch hier steht weniger die Frage der Familienbegrifflichkeit im<br />
Vordergrund; in diesem Fall geht es stärker um eine mögliche familienpolitische Zielsetzung<br />
am Beispiel von Geschlechterleitbildern (zu familienpolitischen Zielsetzungen siehe den<br />
nächsten Abschnitt).<br />
Schließlich behandelt der Beitrag von Stephan Baas in ähnlicher Weise wie der von Kurt<br />
Bierschock ein Problem, das sich für die Begrifflichkeit von Familie in familienbezogener Po-