Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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46 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
chen Versorgerehe“ ist auch eine deutliche Machtverteilung verbunden, die dem Mann die<br />
höchste Autorität und Vertretung nach außen einräumt. Die Rollenverteilung zwischen Mann<br />
und Frau, die der Frau vorrangig die Familienarbeit zuschreibt, wird zuweilen mit ihrer Naturwüchsigkeit<br />
begründet; diese Familienform gilt als gleichsam anthropologische Konstante<br />
und wird zu einem Wert an sich. Diese Natürlichkeit gilt vor allem für die Mutter-Kind-<br />
Beziehung: Kindererziehung ist vor diesem Hintergrund nicht nur originäre Aufgabe der<br />
Frau, Kinder bedürfen in dieser Perspektive dieser Beziehung als wesentliche und unabdingbare<br />
Voraussetzung für ihre Entwicklung. Verbunden mit diesem Leitbild ist auch eine quasi<br />
natürliche Zuordnung von männlichen und weiblichen Charaktereigenschaften, welche als<br />
biologische Konstanten verstanden werden: Frauen gelten als emotional, aufopferungsbereit,<br />
fürsorglich und „schwach“. Nicht nur aufgrund dieser Eigenschaften wird von einer primären<br />
Familienorientiertheit der Frauen ausgegangen. Vor dem Hintergrund eines solchen Leitbildes<br />
wird Familie <strong>zur</strong> Grundlage der Gesellschaft, erfüllt sie doch für den Fortbestand der Gesellschaft<br />
notwendige Funktionen, die durch die Geschlechterpolarität gewährleistet werden.<br />
Diesem Leitbild der bürgerlichen Familie stehen nicht nur innerhalb des Diskurses über Familie<br />
Überzeugungen und Leitbilder gegenüber, welche Familie nicht als natürliche Einheit und<br />
„Wert an sich“ verstehen, sondern als gesellschaftliche Konstruktion und als eine Lebensform<br />
unter anderen. Derart wird auch die Sichtweise der Universalität von Familie zugunsten einer<br />
Pluralität von Familienformen aufgegeben. Wesentliche Aspekte eines „neuen“ Familien- und<br />
auch Frauenleitbildes setzen sich mit dem vorrangigen Element der bürgerlichen Familie auseinander:<br />
der ausgeprägten Geschlechterpolarität. Die weibliche Familienzentriertheit wird<br />
relativiert, die eigene Berufstätigkeit gewinnt an Bedeutung als Wert an sich. Die Rollenverteilung<br />
bzw. Zuweisung der Geschlechter zu unterschiedlichen und getrennten Lebensbereichen<br />
wird verneint, die Frau soll sich im Rahmen einer umfassenden Gleichberechtigung und<br />
damit Wahlfreiheit selbständig zwischen Familie und Beruf oder einer Kombination entscheiden<br />
können. Die Frau ist nicht länger auf die innerfamilialen Aufgaben festgelegt, im Gegenteil<br />
wird auch von ihr Selbständigkeit und die Vertretung nach außen erwartet. Gleichberechtigung<br />
bzw. Wahlfreiheit bedeutet damit wesentlich die Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben,<br />
wie sie bislang Männern vorbehalten war, zudem gilt damit die Erziehung von<br />
Kindern keineswegs als typisch weibliche Aufgabe. Mit der Absage an die „natürliche“ Überordnung<br />
und Entscheidungsgewalt des Mannes wird zugleich die Sichtweise von typisch<br />
„männlichen“ und „weiblichen“ Charaktereigenschaften aufgegeben.<br />
Mit beiden Frauenleitbilder ist eine spezifische Auffassung der Einbindung von Ehefrauen in<br />
den Arbeitsmarkt verbunden: Wird die weibliche Erwerbsbeteiligung auf der einen Seite mit<br />
Gleichberechtigung begründet, stellt sie vor dem Hintergrund des bürgerlichen Familienmodells<br />
in erster Linie nur einen Zuverdienst zum Familieneinkommen dar. Auch eine mögliche<br />
Segregation des Arbeitsmarktes, insbesondere die Beschäftigung von Frauen in unteren Arbeitsmarktsegmenten<br />
und vergleichsweise schlechter entlohnten Frauenbranchen wird mit<br />
dem Status weiblicher Erwerbsarbeit wenn doch nicht gerechtfertigt, so doch zumindest verbunden.<br />
Der Zuverdienstcharakter weiblicher Erwerbsarbeit begründet darüber hinaus auch<br />
die Schlechterstellung von Frauen im System der sozialen Sicherung: Frauen gelten als flexible<br />
Arbeitsmarktressource, die letztlich über den „Familienernährer“ abgesichert sind. Aufgrund<br />
ihrer typisch weiblichen Eigenschaften verfügen Frauen im Rahmen dieses Modells