Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Baas: Geschlechterleitbilder in politischen Reden 53<br />
Nicht zuletzt durch solche Aussagen und durch die Aufwertung der Familienarbeit wird die<br />
Familie und weibliche Familienarbeit als besonders wertvoll betrachtet:<br />
„Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, daß Arbeit in der Familie und Erwerbsarbeit<br />
gleichwertig sind. Die Arbeit, die nicht als Erwerbsarbeit geleistet wird - und dies ist vor<br />
allem Arbeit von Frauen -, ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar“. (Lehr 1990)<br />
3.4 1991 bis 1994 (Hannelore Rönsch bzw. Angela Merkel)<br />
Überraschende Übereinstimmungen ergaben sich zwischen den analysierten Reden Angela<br />
Merkels und Ursula Lehrs: Nicht nur ist die Logik der Argumentation weitgehend identisch,<br />
darüber hinaus konnte in einzelnen Textpassagen vollständige sprachliche Übereinstimmung<br />
festgestellt werden. Als neuer Bestandteil ihrer Reden konnten allein Hinweise auf Problematiken<br />
entdeckt werden, die im Rahmen der Wiedervereinigung relevant geworden sind.<br />
Der Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist, wie schon zuvor, die Verwirklichung der sozialen<br />
Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, welche noch nicht entsprechend dem gesetzlichen<br />
Auftrag verwirklicht werden konnte 8 . Über die Aufwertung der Familienarbeit entscheidet<br />
sich nach ihrer Auffassung die Frage der Gleichberechtigung am „Schlüsselbegriff der Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf“ (Merkel 1992a). Familie und damit Familienarbeit erfährt<br />
eine deutliche Aufwertung:<br />
„Nicht die Lebensbedingungen der Familie, sondern die Organisationsbedingungen der<br />
Arbeitswelt bestimmen unsere sozialen Systeme und unsere gesellschaftlichen Vorstellungen.<br />
Wir müssen uns fragen: Kann das so bleiben?“ (Merkel 1992c)<br />
Ausgehend von der Familienorientierung der Frauen reduziert sich die Wahlfreiheit wieder<br />
<strong>zur</strong> Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Rahmen des Phasenmodells:<br />
„Frauen sehen ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr ausschließlich in der Familie. Sie sehen<br />
ihn auch nicht ausschließlich im Beruf. Die Frauen wollen sich nicht lebenslang auf<br />
eine Rolle festlegen lassen. Sie wollen Wahlfreiheit, sie wollen Familie, Ehe und Berufsausübung<br />
miteinander verbinden“. (Merkel 1992b)<br />
Durch verschiedene Hinweise auf Probleme, die durch die deutsch-deutsche Wiedervereinigung<br />
in den neuen Bundesländern entstanden sind, wird teilweise versucht, die Situation im<br />
Westen zu relativieren bzw. zu entdramatisieren. Eine Aussage wie<br />
„Wir müssen [in den neuen Ländern] verhindern, daß sich gleichzeitig überkommene<br />
Rollenklischees verfestigen“ (Merkel 1992c)<br />
suggeriert, in den alten Bundesländern gäbe es kaum oder keine Rollenklischees. Darüber<br />
wird deutlicher als bisher Frauen selbst die Verantwortung für ihre Benachteiligung auf dem<br />
Arbeitsmarkt gegeben. Nicht nur kritisiert Merkel die weibliche Ausbildungsplatzwahl 9 , sondern<br />
sie spricht Frauen teilweise auch das notwendige Selbstbewußtsein ab:<br />
8<br />
9<br />
„Frauen haben genauso ein Recht auf Erwerbstätigkeit wie Männer“. (Merkel 1992b)<br />
„Auf nur etwa zehn Ausbildungsberufe verteilen sich ungefähr 80% der weiblichen Auszubildenden [...] Natürlich<br />
ist die berufliche Entscheidungsfreiheit der jungen Mädchen zu respektieren. Wir müssen uns aber<br />
fragen, wie die immer noch vorhandene Distanz <strong>zur</strong> Technik vermindert werden kann“. (Merkel 1992b)