Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Netzler: Veränderung wirtschaftlicher Lebensstandards, Zufriedenheiten und Sorgen von Familien 85<br />
werbseinkommen, Mindestsicherung, Altersvorsorgemöglichkeiten, Steuerbelastungen, Kosten<br />
und Qualität der sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit, Scheidung, Beitragsteigerungen,<br />
Gebührenerhöhungen usw., mithin der gesamte „Umbau des Sozialstaates“, sind wesentlich<br />
im Zusammenhang mit Familie zu sehen, nicht aber mit Kinderlosen.<br />
Z.B. ist der durchschnittliche Lebensstandard von Familien 7 bereits bei einem Kind um 27-<br />
29% niedriger als bei gleichaltrigen Kinderlosen 8 . Entsprechend niedriger sind die Möglichkeiten<br />
der Eltern, z.B. eine private Altersvorsorge aufzubauen: Diese ist im Durchschnitt (1<br />
bis 2,2 Kinder) um 30-50% geringer als bei gleichaltrigen Kinderlosen. Sollte z.B. der Lebensstandardrückstand<br />
der Familien gegenüber Kinderlosen 1995 in etwa „nur“ so groß sein<br />
wie 1984, also die Schere sich nicht weiter geöffnet haben, hätte der Familienlastenausgleich<br />
bereits bei einem Kind um etwa 220 DM pro Monat netto und bei z.B. drei Kindern 530 DM<br />
1995 erhöht werden müssen. Einen z.T. dahinterstehenden wirtschaftlichen Sachverhalt hat<br />
die Familienpolitik bisher nicht einmal <strong>zur</strong> Kenntnis genommen: Bei allgemein steigendem<br />
Lebensstandard fallen Familien mit einem Haushaltseinkommen, das wie jenes von Kinderlosen<br />
steigt, „automatisch“ immer weiter <strong>zur</strong>ück, weil bei Steigerung des Einkommens durch<br />
die Aufteilung auf mehrere Familienmitglieder der absolute Einkommensunterschied pro<br />
Kopf zu Kinderlosen immer größer wird. Die Konsequenz eines diesem wirtschaftlichen<br />
Grundsachverhalt entsprechend dynamisierten Familienlastenausgleichs, der verhindert, daß<br />
sich die Schere nicht weiter öffnet, hat die Politik bisher nicht gezogen, nicht mal eine Anpassung<br />
an die Preissteigerungen (sogenannte Dynamisierung), auch nicht auf einem unteren Lebensstandardniveau,<br />
wie u.a. die Projektteile 1 und 2 zeigen.<br />
Etwa 10% der Familien haben 1994 einen Lebensstandard auf dem Niveau des soziokulturellen<br />
Existenzminimums (haushaltsspezifische Sozialhilfebruttobedarf), weitere 15% der Familien<br />
leben nur geringfügig darüber bei einem Taschengeld von max. 100 DM pro Kopf. 9 . Bei<br />
den Kinderlosen liegt die Quote nicht mal halb so hoch.<br />
Die Quote von Familien, die Sozialhilfe empfangen, hat sich gegenüber 1984 um 40%, bei<br />
Kinderlosen um 8% erhöht. Armutsnähe betrifft damit zunehmend Kinder, Jugendliche und<br />
Eltern. Z.B. nahm im Zeitraum von 1986 bis 1991 die Zahl der Kindern als Empfänger von<br />
Sozialhilfe drastisch zu: Die Steigerung betrug in diesen fünf Jahren insgesamt 23,9%, für die<br />
unter 18jährigen aber 33,7%, für die unter 7jährigen 56,5 %, für die 3jährigen 70,2% und für<br />
die ein- bis unter zweijährigen sogar 80%.<br />
Absolut am dichtesten an der Armutsschwelle lebten 1994 jene Haushalte mit Kindern, bei<br />
denen die Befragten geschieden, arbeitslos, ledig und/oder verwitwet waren. Bei erwerbstätigen<br />
Verheirateten mit fünf Kindern sinkt der durchschnittliche Lebensstandard im allgemeinen<br />
Durchschnitt unter das Existenzminimum (Sozialhilfeniveau). Jene, die verwitwet waren<br />
und Kinder hatten, wiesen einen Lebensstandard von 18% über der Armutsschwelle auf, ohne<br />
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Nettoeinkommen je „Vollperson“, Befragte zwischen 18 und 55 Jahren mit eigenem Haushalt.<br />
Alle Daten gelten für 1994 und sind Netzler 1995 und 1996a entnommen.<br />
Befragte jeweils im Alter von 18-55 Jahre. Es handelt sich hierbei um Daten des Sozioökonomischen Panel,<br />
die für 1994 gelten. Vgl. dazu und zu den folgenden Daten Netzler 1996a.