Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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20 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
schiedenen anderen Gründen, die unten noch näher erläutert werden, sind es somit nicht Daten,<br />
die die Politikentwicklung leiten, sondern Ideen. Die Schwerpunktbildung der familienpolitischen<br />
Diskussion auf ideelle Fragen hat eine systematische Funktion, die sich aus der<br />
historischen Entwicklung dieses Politikbereichs ergibt. Wie auch an den einzelnen Gesichtspunkten<br />
der Programmentwicklung zu zeigen sein wird, schließt dies im wesentlichen die<br />
Sinnhaftigkeit und Möglichkeit eines einheitlichen professionalisierten Dokumentationssystems<br />
aus.<br />
3.1 Sozialwissenschaftliche Politikberatung im Bereich Familie<br />
Eine sorgfältige Analyse des Beitrags der Sozialwissenschaften <strong>zur</strong> Familienpolitikentwicklung<br />
gehört zu den Grundvoraussetzungen eines Unternehmens, das sich der Entwicklung eines<br />
professionalisierten Dokumentationssystems <strong>zur</strong> Unterstützung der Programmentwicklung<br />
in diesem Bereich verschrieben hat. Insbesondere müßte geklärt werden, ob familienpolitische<br />
Akteure tatsächlich Daten nachfragen, um politische Entscheidungen zu treffen, oder<br />
welche anderen Aspekte sozialwissenschaftlicher Beratung hier eine Rolle spielen. Bevor diese<br />
grundlegende Frage diskutiert werden soll, ist am Beispiel der Familienberichterstattung zu<br />
zeigen, welche Hindernisse und ggf. Möglichkeiten im engeren Bereich der Familienpolitikberatung<br />
bestehen.<br />
Zu den wenigen soziologischen Analysen der Familienberichterstattung zählt die Arbeit von<br />
Kaufmann (1976). Er arbeitet die Rezeptionshindernisse in der Stellungnahme der Bundesregierung<br />
zum Zweiten Familienbericht heraus. Insbesondere die stark soziologisierende Begrifflichkeit<br />
und Theoriebildung („Sozialisation“, „Sozialisationspolitik“, „Entschichtung der<br />
Gesellschaft“) und der makrosoziologische Denkansatz der Kommission, die Gesellschaft ü-<br />
bertrage der Familie einen Sozialisationsauftrag, haben keinen Widerhall bei der Bundesregierung<br />
gefunden. Dem szientistischen Stil des Berichts steht eine verwaltungsmäßige Ausarbeitung<br />
in der Stellungnahme gegenüber, in der die Gesamtthematik des Kommissionsberichts<br />
nur nach Maßgabe der Ressortstruktur verarbeitet wird (2. FB 1975).<br />
Beiträge <strong>zur</strong> Diskussion und Reflexion des Familienberichts haben auch ehemalige Kommissionsmitglieder<br />
und Beteiligte geliefert. So wurden durch Neidhardt (1975, 1981) und vor allem<br />
durch Wingen (1977, 1981) entsprechende Arbeiten veröffentlicht. Auch hier stehen Resistenzen<br />
des politischen Systems in der Aufnahme der wissenschaftlichen Überlegung und<br />
Empfehlung im Vordergrund – mit einem Akzent auf der Bedeutung der Ministerialverwaltung<br />
als der Vermittlerin zwischen Wissenschaft und politischer Spitze in den Analysen von<br />
Wingen. Insgesamt stehen diese Arbeiten noch unter dem Eindruck der älteren Verwendungsforschung,<br />
die relativ hochgesteckte Erwartungen an die politische Wirkung wissenschaftlicher<br />
Expertisen knüpfte.<br />
Ausgehend von diesen Arbeiten wurden in einer eigenen Studie die spezifischen Verwendungsbedingungen<br />
sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse - und zwar hinsichtlich der Familienberichterstattung<br />
als institutionalisiertem Handlungskomplex - innerhalb der Familienpolitik<br />
der Bundesrepublik Deutschland untersucht. In aller Kürze lassen sich die Ergebnisse folgendermaßen<br />
zusammenfassen (Walter 1995): Ab der Mitte der 60er Jahre wandelt sich die<br />
Begründung der Familienpolitik von einer weltanschaulichen Grundlage zu einer funktionalen