Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Baas: Geschlechterleitbilder in politischen Reden 47<br />
über ein spezifisch weibliches Arbeitsvermögen, welches sie unter anderem zu Tätigkeiten<br />
mit Hausarbeitsnähe wie „Helfen“, „Heilen“ oder Versorgen“ besonders qualifiziert. Aufgrund<br />
der vorrangigen Familienorientiertheit wird weiblichen Erwerbsverläufen eine bestimmte<br />
Struktur zugeordnet: Derzeit gilt das Dreiphasenmodell als Möglichkeit, Familie und<br />
Erwerbsarbeit miteinander zu vereinbaren.<br />
Dieser Sichtweise steht die Auffassung gegenüber, derzufolge Frauen prinzipiell jede Tätigkeit<br />
ausüben können, da keinerlei spezifisches Arbeitsvermögen existiert. Der Gleichberechtigungsgedanke<br />
wird auf den Arbeitsmarkt übertragen: Eine Benachteiligung von Frauen im<br />
Erwerbsleben gilt es vor diesem Hintergrund zu überwinden. Darüber hinaus wird weiblichen<br />
Erwerbsverläufen, da von Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf ausgegangen wird, keine<br />
eindeutige Struktur vorgegeben.<br />
Die idealtypisch herausgearbeiteten und sich entgegenstehenden Frauenleitbilder – Geschlechterpolarität<br />
oder vollständige Gleichberechtigung – sollen an dieser Stelle nur als die<br />
zwei Endpunkte eines Kontinuums von Leitbildern verstanden werden, nicht dagegen als die<br />
Abbildung tatsächlicher gesellschaftlicher Verhältnisse. Aber auch, wenn vor allem die Geschlechterpolarität<br />
so in der Realität nicht anzutreffen zu sein wird, stellen doch beide Leitbilder<br />
geeignete Beschreibungen und Zusammenfassung dar, vor deren Hintergrund der familienpolitische<br />
Diskurs bzw. die Familienrhetorik analysiert werden kann. Zuvor soll der<br />
Nachweis der tatsächlichen Relevanz beider Leitbilder erbracht werden.<br />
2.3 Das Geschlechterverhältnis zwischen Geschlechterpolarität und Gleichberechtigung<br />
Der Begriff Geschlechterverhältnis umfaßt nicht nur die persönlichen, kulturellen, politischen<br />
und ökonomischen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, sondern beschreibt darüber<br />
hinaus auch, wie diese in gesellschaftlich institutionalisierter Form in Beziehung zueinander<br />
stehen. Aus diesem Grund ist die Entwicklung des Geschlechterverhältnisses der letzten Jahrzehnte<br />
besonders geeignet, Merkmale der sich entgegenstehenden Leitbilder – Geschlechterpolarität<br />
und Gleichberechtigung – in ihrer tatsächlichen Relevanz abzubilden.<br />
Weibliche Lebensverläufe haben sich den letzten 20 Jahren entscheidend verändert: Auf der<br />
einen Seite wurden Frauen in den 70er Jahren als letzte Arbeitsmarktressource entdeckt. Vor<br />
allem Teilzeitarbeitsplätze im Dienstleistungssektor wurden zu typischen Frauenarbeitsplätzen.<br />
Auf der anderen Seite änderten sich die Motivlagen junger Frauen: Zunehmende Berufswünsche<br />
führten zu größeren Vereinbarkeitsproblemen zwischen Familie und Beruf als je zuvor.<br />
Beck-Gernsheim hat das neue weibliche Selbstverständnis unter dem Slogan „Vom Dasein<br />
für andere zum Anspruch auf ein eigenes Stück Leben“ (1980) plakativ zusammengefaßt.<br />
Heute stellen Berufsausbildung und -ausübung einen festen Bestandteil weiblicher Lebensplanung<br />
dar, allerdings sind Frauen auf dem Arbeitsmarkt über Segregation integriert. Sie arbeiten<br />
in Branchen mit geringerem gesellschaftlichem Status und geringeren<br />
Verdienstmöglichkeiten. Quer durch alle Berufsfelder sind Frauen überwiegend in unteren<br />
Hierarchieebenen beschäftigt, in denen sie nur un<strong>zur</strong>eichende Karrieremöglichkeiten haben.<br />
Auf rechtlicher Ebene ist dagegen eine vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
erfolgt: Abgesehen von Mutterschutzbestimmungen existieren kaum Regelungen, die Frauen