Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bierschock: Implementation des KJHG 73<br />
hilfepolitischen sowie finanziellen Vorgaben verstanden wird. Damit verbessert sich zwar die<br />
fachlich, vor allem aber die jugendhilfe- und kommunalpolitisch meßbare „Produktqualität“;<br />
dies führt aber nicht unbedingt per se zu einer stärkeren empirischen Einbeziehung der Interessen<br />
und Bedarfe der Familie in den Produktionsprozeß. Als symptomatisch kann gelten,<br />
daß etwa im - häufig zitierten - KGSt-Bericht <strong>zur</strong> outputorientierten Steuerung in der Jugendhilfe<br />
(1995) der Begriff „Bedarf“ in den Zieldefinitionen nicht auftaucht (vgl. Merchel 1996:<br />
157f.). „Clients come last“ - dieses Schlagwort könnte bei einer hermetisch abgeriegelten Erstellung<br />
des Verwaltungsprodukts „Maßnahme/Leistung“ mehr denn je die Wirklichkeit beschreiben,<br />
wenn die Lebenswertorientierung insofern als „Störfaktor“ angesehen würde, als<br />
sie die verwaltungsinternen Produktionsprozesse noch komplexer macht und flexible Reaktionen<br />
- etwa auf innerfamiliale Veränderungen - erforderlich werden läßt. Erst eine stringente<br />
Koppelung von Produktionsprozeß und familienbedarfsbezogener Zieldefinition kann dem<br />
Einhalt gebieten: Die Parameter der Effektivität und Effizienz müssen auf der Outputseite<br />
(Dienstleistung) den Familienbezug als feste Größe - als empirisch bei den Familien erhobene<br />
oder im Rahmen der Sozialplanung erfragte - Bedarfsgerechtigkeit integrieren. Kurzum: Hilfepläne<br />
und Sozialraumplanung müssen Vorrang vor reinem Effektivitäts- und Effizienzdenken<br />
haben. Die Jugendhilfeausschüsse sind als jugendhilfepolitische Steuerungsorgane gefordert,<br />
dies festzuschreiben und sicherzustellen.<br />
5.1.2 Ökonomische Parameter vs. Familienselbsthilfe<br />
Außerdem ist zu befürchten, daß Selbsthilfeinitiativen von Familien - wozu auch angeleitete<br />
empowerment-Prozesse gehören könnten - wegen ihrer geringen institutionellen Verfaßtheit<br />
und Einbindung zwar in Zeiten knapper Finanzressourcen begrüßt werden, andererseits aber<br />
der Effektivitäts- und Effizienzprüfung <strong>zur</strong> Einleitung des Förderungsverfahrens eben wegen<br />
ihrer relativen Instabilität nur schwer zugänglich sind.<br />
5.1.3 Marktorientierung vs. Familienbezug<br />
Die Ausweitung markt- bzw. betriebswirtschaftlicher Kriterien für die Jugendhilfe führt zu<br />
weiteren potentiellen Gefahren: Marktorientierung kann - im Sinne des outsourcing - bedeuten,<br />
daß bestimmte Bedarfe und Leistungen der Jugendhilfe an private Anbieter abgegeben<br />
werden, die diese dann unter Marktbedingungen an die Familien, Kinder und Jugendlichen<br />
weitergeben. Nicht marktgängige Dienstleistungen werden dann entweder eingestellt oder<br />
verteuert. Dies alles ginge zu Lasten der Sicherstellung der familialen Bedarfe - insbesondere<br />
armer Familien -, wenn nicht eine Grundversorgung und Sonderfallversorgung durch die Jugendhilfe<br />
in Sinne ihrer Garantenpflicht aufrechterhalten wird. Ist schon die jugendhilfepolitische<br />
Einflußmacht von Familien gering, so ist davon auszugehen, daß die Marktmacht - wiederum<br />
vor allem ökonomisch deprivierter Familien - noch geringer ist.<br />
In allen genannten Fällen kann die übertriebene Ökonomisierung der Jugendhilfepraxis noch<br />
<strong>zur</strong> Folge haben, daß nicht-marktförmige oder zu Marktbedingungen produzierbare Leistungen<br />
vorschnell an die Familien und Familiennetzwerke „abgetreten“ werden. Diese Dienstleistungen<br />
müssen sie dann selber erbringen, im Vertrauen auf die Selbsthilfepotentiale der<br />
Familien und ihre informellen wie formalisierten Netzwerke und selbstverständlich - wieder