Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bierschock: Implementation des KJHG 65<br />
1. Die Gründe für die gegenwärtige Situation<br />
„Wir haben Jugendhilfeplanung. Der Spielraumentwicklungsplan ist bereits verabschiedet“ -<br />
so die Antwort eines Jugendamtsmitarbeiters auf die Frage, wie es denn um die örtliche Jugendhilfeplanung<br />
stehe. Diese Antwort hatte folgende Nachfrage <strong>zur</strong> Folge: „Und wer plant<br />
die Leistungen nach dem SGB VIII?“ (MittBl. BLJA 5/1997: 24). Das Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />
(KJHG 1 ) ist seit 1990/91 Handlungsgrundlage der öffentlichen und freien Jugendhilfe<br />
im vereinten Deutschland. Wie auch dieses Zitat belegt, bestehen jedoch auch im sechsten<br />
Jahr noch Schwierigkeiten bei der Implementierung eines Kernbereiches: der Jugendhilfeplanung.<br />
Außerdem ist festzustellen, daß der Familienbezug des KJHG und der Jugendhilfepraxis<br />
nicht eindeutig ist.<br />
Folgende Gründe sind für die unbefriedigende Implementation maßgeblich und erfordern eine<br />
Evaluation des Familienbezuges sowie eine dauerhafte Beobachtung der weiteren Entwicklungen<br />
in der Jugendhilfe: Erstens die Strukturen der Jugendhilfe weisen in der Praxis einen<br />
zu schwach ausgeprägten Familienbezug auf. Und zweitens ist die gegenwärtige Jugendhilfeplanung<br />
weder flächendeckend noch konsistent - deshalb bleibt die Jugendhilfepraxis hinter<br />
ihren möglichen Ertrag <strong>zur</strong>ück. Drittens schließlich betont die gegenwärtig laufende Debatte<br />
über die Verwaltungsreform betriebswirtschaftliche Grundsätze, bleibt aber indifferent in der<br />
inhaltlich-fachlichen Dienstleistungsproduktion gegenüber der Familie. Wie aufgezeigt wird,<br />
birgt diese Verwaltungsreform Chancen und Risiken für die Partizipation von und die Bedarfsdeckung<br />
für Familien.<br />
2. Sozialpädagogische, ordnungsrechtliche und strukturellinstitutionelle<br />
Prinzipien des KJHG<br />
Prinzipiell lassen sich drei Gestaltungsprinzipen des KJHG unterscheiden, von denen zwei<br />
zueinander komplementär und konträr sind - die sozialpädagogischen und die ordnungsrechtlichen<br />
Prinzipien. Das KJHG stellt einen Kompromiß zwischen beiden Sichtweisen dar, wobei<br />
weitgehend von einer Sozialpädagogisierung des Jugendhilferechts gesprochen werden<br />
kann. Das dritte Prinzip füllt den strukturellen und institutionellen Rahmen aus; dabei wird in<br />
diesem Beitrag auf die behördlichen Strukturen und die Jugendhilfeplanung eingegangen, datenschutzrechtliche<br />
und finanzierungsorganisatorische Bestimmungen bleiben hier unberücksichtigt.<br />
2.1 Die sozialpädagogischen Strukturmaximen und Handlungsprinzipien des<br />
KJHG<br />
Aufgrund des sozialpädagogisch akzentuierten Profils des KJHG, das aus den „Objekte(n)<br />
staatlichen Handelns [...] eigenverantwortlich handelnde (Rechts-)Subjekte“ machen soll, „für<br />
die die Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfe anzubieten hat“ (Münder et al. 1993: 86) werden<br />
die Standards der Jugendhilfepraxis nunmehr an Strukturmaximen und Handlungsprinzipien<br />
gemessen. Der Achte Jugendbericht nennt sechs Strukturmaximen und meist auch dazugehö-<br />
1<br />
Wegen der Eingliederung in das Sozialgesetzbuch wird es auch als 8. Buch des SGB bezeichnet.