Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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42 <strong>ifb</strong> - <strong>Materialien</strong> 4-98<br />
rechtigte Erwerbsbeteiligung und die Wahlfreiheit der Frauen zwischen Familien- oder Erwerbsrolle<br />
vorsieht. Claudia Nolte hingegen soll ein Frauenleitbild propagieren, welches<br />
deutlich konservativere Elemente umfaßt.<br />
Aus dieser These folgt die Fragestellung, mit der die öffentlichen Äußerungen der FamilienministerInnen<br />
werden sollen: Enthalten ihre Reden Hinweise auf ein eher bürgerliches Familienmodell,<br />
welches deutliche Anzeichen einer Geschlechterpolarität und eines traditionalen<br />
Frauenleitbildes in Anlehnung an die „männliche Versorgerehe“ enthält? Als Ursache dieser<br />
Veränderung des Frauenleitbildes - dies ist der zweite Teil der hier vertretenen These - soll<br />
die Entwicklung des Arbeitsmarktes gelten. Parallel <strong>zur</strong> Entdeckung der (Ehe-)Frauen als<br />
letzter Arbeitsmarktressource in den 70er Jahren, etwa im Rahmen neu geschaffener Teilzeitarbeitsplätze<br />
im Dienstleistungsbereich, ist seit Anfang der 80er Jahre eine kontinuierliche<br />
Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation zu verzeichnen. So ist die Zahl der Arbeitslosen<br />
von etwa einer Million Anfang der 80er Jahre auf zuletzt drei Millionen in den alten<br />
Bundesländern, über vier Millionen im gesamten Bundesgebiet gestiegen. Zeitgleich mit<br />
dieser Entwicklung wurde im öffentlichen Diskurs immer häufiger der Standpunkt vertreten,<br />
Frauen aus dem Bereich der Erwerbsarbeit auszugrenzen, da die zunehmende<br />
Frauenerwerbstätigkeit mitverantwortlich für die Arbeitsmarktsituation sei, und die<br />
Arbeitslosigkeit so reduziert werden könne.<br />
Der Fokus dieser Untersuchung richtet sich damit auf eine zu überprüfende Parallelität zwischen<br />
der Entwicklung des Arbeitsmarktes und einer „Traditionalisierung“ des Frauenleitbildes.<br />
Läßt sich in den letzten 15 Jahren eine in etwa lineare Entwicklung feststellen, in der sich<br />
das von den FamilienministerInnen vertretene Frauenleitbild parallel der Verschlechterung<br />
der Arbeitsmarktsituation immer weiter einer Geschlechterpolarität angenähert hat, in der die<br />
Frau in erster Linie für den Binnenbereich einer Familie zuständig ist, und nur dem Mann der<br />
uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt eingeräumt wird? Zu prüfen ist auch, ob die analysierten<br />
Reden in sich widersprüchlich sind: Ist neben Leitbildern, denen der Gleichberechtigungs-<br />
und Wahlfreiheitsgedanke zugrunde liegt, zugleich eine der Konzeption des bürgerlichen<br />
Familienideals verhaftete Geschlechterpolarität feststellbar? Läßt sich die Korrelation<br />
zwischen Arbeitsmarktentwicklung und der Traditionalisierung des Frauenleitbildes gegebenenfalls<br />
in den Reden selbst nachweisen?<br />
Die Frauenleitbilder beinhaltenden Argumentationen werden in den zu analysierenden Reden<br />
wohl nur implizit zu beobachten sein: Es wird so eine Vorgehensweise notwendig, die vor<br />
dem Hintergrund des Konzeptes der Familienrhetorik die Reden argumentationsanalytisch erschließt<br />
(vgl. Lüscher 1995). Da im Rahmen der Familienrhetorik allgemein Texte oder Reden<br />
analysiert werden sollen, die Familie öffentlich bewerten und die Teilnehmer am öffentlichen<br />
Diskurs von den in ihnen enthaltenen Idealen oder Leitbildern überzeugen wollen, eignet<br />
sich dieses Konzept für diese Untersuchung. Die Relevanz dieser Vorgehensweise ergibt<br />
sich aus der Tatsache, daß durch an prominenter Stelle gehaltene Reden Leitbilder kommuniziert<br />
werden können, die ihrerseits Auswirkungen auf die Mitglieder der Gesellschaft haben<br />
können. Die argumentative Wirkung dieses Teils der Familienrhetorik dürfte auch aufgrund<br />
der Bekanntheit dieser PolitikerInnen besonders hoch sein.<br />
Öffentliche Diskurse sind vielgestaltige Phänomene. Die hier behandelten Reden von MinisterInnen<br />
sind nur ein kleiner Ausschnitt der öffentlichen Diskussion um Familie und Ge-