Materialien zur Familienpolitikanalyse - ifb - Bayern
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Baas: Geschlechterleitbilder in politischen Reden 45<br />
Dies geschehe, so Lüscher, unter den Bedingungen des Pluralismus und der „subjektiven<br />
Multiperspektivität“, da auf der gesellschaftlichen Makro-Ebene verschiedene Instanzen mit<br />
unterschiedlichen Leitbildern miteinander um normative Vorgaben konkurrieren.<br />
„Neben die Pluralität der privaten Perspektiven tritt somit die Pluralität der öffentlichen<br />
Perspektiven - eine ständige Herausforderung für die Individuen, die ... ihre subjektiven<br />
Orientierungen gewissermaßen ständig synthetisieren müssen, und zwar auf eine Weise,<br />
die sinnvolle und relativ enttäuschungsfeste Handlungsmuster nahelegt“ (Lüscher/ Wehrspaun/<br />
Lange 1989: 74).<br />
Neuerdings geht Lüscher von einer entgegengesetzten Polarität der Familienrhetorik bzw. Polarisierung<br />
des öffentlichen Diskurses aus, indem er zwischen<br />
„[...] der prinzipiellen (institutionellen, ‘natürlichen’) Vorgegebenheit einer richtigen<br />
Form von Familie und [...] einer prinzipiellen (individualistischen, subjektiven) Offenheit“<br />
(Lüscher 1995: 62)<br />
unterscheidet.<br />
Allerdings verliert Lüscher bei seinen eigenen Untersuchungen die rhetorischen Strategien<br />
der Familienrhetorik aus dem Blick: nämlich die Tatsache, daß Familienrhetorik eben Botschaften<br />
übermitteln kann, die andere Gesellschaftsmitglieder von der eigenen Perspektive<br />
überzeugen wollen. Lüscher beschränkt sich auf Thesen <strong>zur</strong> Grundstruktur und allgemeinen<br />
Funktion von Familienrhetorik (1995), weder bestimmt er die Wirkungen der Familienrhetorik,<br />
noch die sozialen Instanzen, die am öffentlichen Diskurs über Familie teilnehmen. Auch<br />
die Beziehung zwischen Familienrhetorik und „Familienhandeln“ wird nur vage bestimmt. 3<br />
Demgegenüber sollen im Rahmen der Analyse von Reden nicht nur die entgegengesetzten<br />
Frauenleitbilder herausgearbeitet werden, sondern es soll auch versucht werden, diejenigen<br />
rhetorischen Mechanismen darzustellen, mit denen die Leitbilder bzw. Argumente als überzeugend<br />
dargestellt werden. Darüber hinaus muß die Wirkung der beschriebenen<br />
Familienrhetorik theoretisch erfaßt werden: Es soll eine Verbindung zu Einstellungen und<br />
tatsächlichem Handeln der Kommunikationsteilnehmer bzw. Gesellschaftsmitglieder<br />
hergestellt werden. Zuvor müssen aber erst die sich entgegenstehenden Frauenleitbilder<br />
herausgearbeitet werden.<br />
2.2 Familien- und Frauenleitbilder<br />
Grundlage bzw. Referenzfolie auch eines Wandels von Frauenleitbildern ist der bürgerliche<br />
Familienbegriff: Das Leitbild der bürgerlichen Familie beinhaltet wesentlich die fünf Elemente<br />
Ehe, gemeinsamer Haushalt, Elternschaft, gegenseitige Verwandtschaft und die in diesem<br />
Zusammenhang besonders interessierende spezifische Geschlechterpolarität bzw. familiale<br />
Arbeitsteilung. Während dem Mann die Sorge für das wirtschaftliche Wohlergehen und damit<br />
für den Erwerb des Familieneinkommens obliegt, ist die Frau für die Führung des Haushaltes<br />
und die Kindererziehung zuständig: Sie ist damit wesentlich für diejenigen Solidarleistungen<br />
verantwortlich, die für den familialen Zusammenhalt erforderlich sind. Mit dieser „männli-<br />
3<br />
„Familienrhetorik ist programmatisch, Familienhandeln ist pragmatisch. Die Familienrhetorik wird somit<br />
durch das Handeln der Menschen notwendigerweise relativiert“ (Lüscher 1995: 59).