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| K a p i t a l | E u r o f i g h t e r<br />
eine Millionenzahlung wurde das Verfahren<br />
schließlich eingestellt.<br />
Am peinlichsten sind jedoch die<br />
Schlappen vor der eigenen Türe. Aus erhofften<br />
Deals mit den Nato-Partnern Griechenland,<br />
Norwegen oder den Niederlanden<br />
wird nie etwas, seit vergangenem Jahr<br />
scheint auch der lukrative Auftrag für<br />
22 Flugzeuge in der Schweiz verloren. Laut<br />
einem an die Presse durchgesickerten Auswertungsbericht<br />
genügten den Eidgenossen<br />
die technischen Anforderungen nicht.<br />
Und der Schweizer Luftwaffenchef Markus<br />
Gygax erklärte dem Branchenblatt Shownews<br />
später: „Selbst wenn wir den Eurofighter<br />
gewollt hätten, wir hätten ihn uns<br />
nicht leisten können.“<br />
Das alles wäre im Rückblick egal gewesen,<br />
hätten die Eurofighter-Verantwortlichen<br />
den Indien-Deal erfolgreich über die<br />
Bühne gebracht. 126 neue Kampfflugzeuge<br />
für insgesamt rund 20 Milliarden<br />
US‐Dollar wollen die Inder in ihre Luftstreitkräfte<br />
eingliedern – Ausschreibungen<br />
dieser Größe sind in der Branche ein<br />
Jahrhundertereignis. Kein Wunder, dass<br />
es ab 2009 zum Showdown fast aller großen<br />
Hersteller kommt, zwischen den traditionellen<br />
Lieferanten USA und Russland<br />
ebenso wie zwischen den Westeuropäern<br />
mit ihren drei konkurrierenden Modellen<br />
Eurofighter, der französischen Rafale und<br />
der Gripen aus Schweden.<br />
Anders als beim Vertrag mit Saudi-Arabien<br />
hatten in Indien die Deutschen die<br />
Federführung. Grund genug für die Bundeswehr,<br />
den Herstellern freundlich auszuhelfen.<br />
Und das durchaus auch aus Eigeninteresse:<br />
Die Anzahl der <strong>letzte</strong>n, noch<br />
an Deutschland zu liefernden Eurofighter<br />
soll laut Koalitionsvertrag mit künftigen<br />
Exporten verrechnet werden – im Erfolgsfall<br />
also eine enorme Ersparnis für<br />
den Verteidigungshaushalt. Dafür verlegte<br />
die Bundeswehr 2009 mit einem<br />
Millionenaufwand gleich vier Jets samt<br />
Tankflugzeugen, Begleitpersonal und Technik<br />
nach Indien, um auf der „Aero India<br />
2009“ der Bieterschlacht neuen Schwung<br />
zu verleihen. Sogar die Bundeskanzlerin<br />
griff in die staatliche Verkaufsförderung<br />
ein: Ende vergangenen Jahres rühmte sie<br />
in einem Brief an Indiens Premier Manmohan<br />
Singh das Flugzeug in höchsten Tönen<br />
und bot Indien an, als „fünfte Partnernation“<br />
in das Herstellerkonsortium<br />
einzusteigen.<br />
In den kommenden zwei Jahrzehnten<br />
werden weltweit 800 neue Kampfjets<br />
verkauft. 200 davon sollen Eurofighter<br />
sein – ein sehr ehrgeiziges Ziel<br />
Doch Anfang 2012 entscheiden sich<br />
die Inder für den kostengünstigeren Eurofighter-Konkurrenten<br />
Rafale des französischen<br />
Dassault-Konzerns. Frankreich, damals<br />
noch unter Präsident Nicolas Sarkozy,<br />
hatte sich aggressiv für den Export des bislang<br />
noch an kein Land verkauften französischen<br />
Kampfjets eingesetzt. Ob die Franzosen<br />
einen Preisnachlass gewährten oder<br />
den Rüstungsexport geschickt mit anderen<br />
Deals koppelten, lässt sich nur vermuten.<br />
Immerhin waren französische Unternehmen<br />
zuvor schon mit Neu-Delhi über<br />
die Lieferung von Atomkraftwerken und<br />
konventionellen U-Booten handelseinig<br />
geworden.<br />
Dass der Vier-Nationen-Kampfjet –<br />
wie zuvor schon in der Schweiz – zu teuer<br />
angeboten wurde, mag beim Hersteller<br />
EADS niemand hören. Und ob der Preis<br />
wirklich den Ausschlag gab, bleibt vorerst<br />
das Geheimnis der Inder. Kein Geheimnis<br />
ist dagegen, dass der einst als reines Jagdflugzeug<br />
begonnene Eurofighter auch acht<br />
Jahre nach seiner Inbetriebnahme weit davon<br />
entfernt ist, ein modernes Mehrzweckkampfflugzeug<br />
zu sein. Denn bisher sind<br />
seine Fähigkeiten, Bodenziele zu bekämpfen,<br />
äußerst beschränkt, erst langsam wird<br />
nachgerüstet. So schafften es die Briten<br />
nur mit massivem finanziellen Aufwand,<br />
ihre Maschinen für die demonstrative Bekämpfung<br />
von Bodenzielen in Libyen fit<br />
zu machen.<br />
Die Arbeiten an der Weiterentwicklung<br />
des Eurofighters zu einem Jagdbomber<br />
laufen zwar in den beteiligten<br />
Nationen auf Hochtouren, doch „work<br />
in progress“ ist gegenüber potenziellen<br />
Kunden ein schwaches Verkaufsargument.<br />
Denn in den zwei Jahrzehnten seit Ende<br />
des Kalten Krieges hat sich herausgestellt,<br />
dass es zwar immer noch Bedarf an Jagdflugzeugen<br />
gibt, die die Luftüberlegenheit<br />
sichern. Strategisch weitaus wichtiger sind<br />
aber Kampfjets, die Ziele am Boden angreifen<br />
können – möglichst exakt und<br />
ohne Kollateralschäden.<br />
Auf der Messe in Farnborough gucken<br />
die beiden Testpiloten vor dem Eurofighter-Stand<br />
etwas betrübt, als General Juniti<br />
Saito, Chef der brasilianischen Luftwaffe,<br />
vorbeimarschiert, ohne auch nur ein<br />
einziges Mal sein schlohweiß gescheiteltes<br />
Haupt zu wenden. Der 69-Jährige wird<br />
von seinem Stab eskortiert, Offiziere mit<br />
Sonnenbrillen, mächtigen Schnurrbärten<br />
und braun gebrannten Glatzen. Seit Jahren<br />
plant Brasilien, 36 neue Kampfflugzeuge<br />
zu kaufen, kann sich aber für kein Modell<br />
entscheiden.Wo Juniti Saito auftaucht,<br />
blinken deshalb Dollarzeichen in den Augen<br />
der Waffenhersteller. Das Ziel der Delegation<br />
steht funkelnd in der Sonne: Es<br />
ist die schwedische Gripen, das Discountangebot<br />
unter den Kampfjets. Technisch<br />
gilt er seiner Konkurrenz als weit unterlegen,<br />
doch insbesondere Flugstunden und<br />
Wartung sind im Vergleich spottbillig, die<br />
Gripen ist das Prinzip Ikea auf dem Flugzeugmarkt,<br />
der Anti-Eurofighter. Südafrika<br />
fliegt sie schon, Tschechien, Thailand, Ungarn,<br />
bald auch die Schweiz.<br />
Die Brasilianer legen die Köpfe schief,<br />
betrachten kritisch das Fahrwerk, zücken<br />
ihre Handykameras, Saitos Hand streicht<br />
zärtlich über den Seitenflügel. Ob sie<br />
sich nicht auch mal den Eurofighter anschauen<br />
wollen? „Pah“, macht Saitos Adjutant,<br />
winkt ab und schiebt sich ein neues<br />
Kaugummi in den Mund.<br />
Dabei kommt es in Zukunft auf die<br />
Schwellenländer an. Denn während die<br />
Rüstungsbudgets der Nato-Partnerstaaten<br />
schrumpfen, boomt der Markt in der<br />
Ferne: Um 22 Prozent will Brasilien seinen<br />
Verteidigungshaushalt bis 2015 erhöhen,<br />
Indien stockt auf 27 Prozent auf,<br />
Saudi-Arabien um fast 40 Prozent. Prognosen<br />
erkennen für die kommenden<br />
106 <strong>Cicero</strong> 11.2012