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Angelika Jahr wehrte sich jahrzehntelang gegen Übernahmeversuche aus Gütersloh, ihr Einfluss scheint aber zu schwinden<br />
A<br />
Uf langen Tafeln lagen rote<br />
Schokoherzen und rote Rosen.<br />
Es gab Sushi, das Dessert hatte<br />
sich der Küchenchef der Zeitschrift<br />
Essen und Trinken ausgedacht.<br />
TV‐Koch Tim Mälzer präsentierte<br />
eine Feinschmecker-Show. Die verlagsinterne<br />
Allstar-Band sang zum Wechsel von<br />
Angelika Jahr-Stilcken vom Gruner-und-<br />
Jahr-Vorstand in den Aufsichtsrat im April<br />
2008 den Rolling-Stones-Hit „Angie“,<br />
und Stern-Redakteure überreichten ihr eine<br />
Sonderausgabe. Für den emotionalen Höhepunkt<br />
sorgte die sonst eher zurückhaltende<br />
Tochter des Verlagsgründers John Jahr senior<br />
aber selber, als sie im schwarzen Hosenanzug<br />
in der Hamburger Fischauktionshalle<br />
vor 700 Gästen auf die Bühne trat und ein<br />
Bekenntnis zu ihrem Verlag aussprach, das<br />
in den Worten gipfelte: „Es ist Liebe.“<br />
Auf dem vermeintlichen Ehrenplatz ihr<br />
gegenüber saß Liz Mohn, deren Familie<br />
den Medienkonzern Bertelsmann kontrolliert,<br />
zu dem auch 74,9 Prozent von Gruner<br />
und Jahr (G+J) gehören. Jeder in der<br />
Halle wusste, dass Liz Mohn und Bertelsmann<br />
den Jahrs ihre Sperrminorität gerne<br />
entreißen würden, um den Verlag endlich<br />
ganz für sich alleine zu haben. Für Liz<br />
Mohn waren Jahrs Worte eine Kampfansage.<br />
Die Platzierung an ihrem Tisch erschien<br />
plötzlich nicht mehr als Ehrenplatz,<br />
sondern als sorgfältig geplanter Affront, der<br />
ihr zeigen sollte, wer die eigentliche Chefin<br />
bei G+J ist. Teilnehmer erinnern sich,<br />
dass Liz Mohn das Fest mit ihrem Gefolge<br />
vorzeitig verließ.<br />
Es ist die Kernfrage, die seit Jahren immer<br />
wieder am Hamburger Baumwall gestellt<br />
wird: Übernimmt Bertelsmann die<br />
Macht bei G+J komplett und kauft die<br />
alt eingesessene hanseatische Verlegerfamilie<br />
heraus? Was lange Zeit undenkbar<br />
schien, das ist jetzt, gut vier Jahre nach<br />
dem Liebesversprechen in der Fischauktionshalle,<br />
für Liz Mohn und Bertelsmann<br />
in greifbare Nähe gerückt. Gleichzeitig<br />
schwindet der Einfluss von Angelika Jahr-<br />
Stilcken in der eigenen Familie. Bertelsmann<br />
hat selbst bestätigt, dass Deutschlands<br />
größter Medienkonzern und die<br />
Jahr-Holding, in der die Beteiligungen der<br />
Familie gebündelt sind, über eine vollständige<br />
Übernahme von G+J durch Bertelsmann<br />
verhandeln. Noch ist nichts entschieden,<br />
aber noch nie sprach so viel für einen<br />
Verkauf oder Anteilstausch.<br />
Bis es so weit kam, haben sich beide Seiten<br />
nichts geschenkt. Bertelsmann und die<br />
Jahrs haben zwei ihrer Vorstandsvorsitzenden<br />
zermürbt, indem sie sich blockierten<br />
und notwendige Investitionen versäumten.<br />
Im September erst trat der Verlagschef<br />
Bernd Buchholz entnervt und enttäuscht<br />
zurück, weil ihm keiner seiner Gesellschafter<br />
von den Verkaufsverhandlungen erzählt<br />
11.2012 <strong>Cicero</strong> 111