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| B e r l i n e r R e p u b l i k | Ü B E R L E B E N S K A M P F D E R F D P<br />
manchen Aufgaben und Ämtern, aber<br />
keine Angst. Wir brauchen jetzt keine<br />
neue Personaldebatte. Genscher sagt immer,<br />
entscheidend sind Inhalt, Person<br />
und Stil. Daran sollten wir uns halten.<br />
In Rheinland-Pfalz haben Sie die Zusammenarbeit<br />
mit Sozialdemokraten schätzen<br />
gelernt. Sie haben jahrelang in einer<br />
sozialliberalen Koalition regiert. Würden<br />
Sie das im Bund gern wiederholen?<br />
Die SPD war in Mainz vernünftig, und<br />
wir haben sie zur Mitte zentriert.<br />
„Eine konsequent reformorientierte SPD<br />
könnte bei der nächsten Bundestagswahl<br />
der bessere Koalitionspartner sein, als es<br />
eine sich immer stärker sozialdemokratisierende<br />
Union wäre.“ Kennen Sie den<br />
Satz?<br />
Der ist von mir. Aber das habe ich 2005<br />
gesagt. Jetzt haben wir eine andere Situation:<br />
eine christlich-liberale Koalition,<br />
die per Saldo gut regiert. Wir wollen<br />
diese Koalition fortsetzen. Alle Spekulationen<br />
über die Ampel sind abwegig.<br />
Ihr Parteifreund Wolfgang Kubicki kann<br />
sich ein Ampelbündnis unter Peer Steinbrück<br />
sehr gut vorstellen.<br />
Deswegen bin ich in der FDP, weil bei<br />
uns jeder seine Meinung sagen kann.<br />
Meine Meinung ist, dass wir unsere Kraft<br />
nicht für irgendwelche Farbspielchen verwenden<br />
sollten. Wir haben eine erfolgreiche<br />
Regierung und wollen die fortsetzen.<br />
Punkt.<br />
Was halten Sie denn von Peer Steinbrück?<br />
Er ist zwar ein fähiger Mann und respektabler<br />
Kandidat. Ich kenne ihn<br />
schon sehr lange. Aber die Frage ist, ob<br />
er die SPD repräsentiert und das Wahlprogramm,<br />
das sie jetzt erst schreiben,<br />
nachdem sie einen Kandidaten haben.<br />
Da habe ich meine Zweifel. Das Schauspiel<br />
der SPD war ja schon bezeichnend.<br />
Obwohl sie sich offensichtlich schon<br />
lange einig waren, wer es macht, haben<br />
sie trotzdem drei Kandidaten durch<br />
die Landschaft geschoben wie die drei<br />
Fragezeichen.<br />
Steinbrück ist wie Sie ein Weintrinker.<br />
Es ist mir als Rheinland-Pfälzer sympathisch,<br />
wenn er auch von Wein etwas<br />
versteht.<br />
Verzichten Sie im Wahlkampf eigentlich<br />
auf Wein?<br />
Ich trinke ohnehin nicht viel. Besonders<br />
in der Endphase des Wahlkampfes<br />
ist es mitunter so, dass man mehrere<br />
Male am Tag reden muss. Da muss jeder<br />
für sich entscheiden, wie er damit klarkommt<br />
– und ob er Wein oder Wasser<br />
trinkt. Wichtiger für einen guten Wahlkampf<br />
ist, dass man fit bleibt, regelmäßig<br />
Sport macht.<br />
„Wenn ich mich<br />
kasteie und dann<br />
ein Schnitzel<br />
sehe, werde ich<br />
schwach“<br />
Besteht nicht die Gefahr, dass man sich<br />
den Stress wegtrinkt?<br />
Ich bin eher ein Stressesser. Früher hatte<br />
ich weit über 100 Kilo, jetzt halte ich<br />
mich knapp unter 80. Mir ist aber völlig<br />
klar: Im Wahlkampf wird das Jackett<br />
enger. Wenn ich mich den Tag über kasteie<br />
und dann abends ein Schnitzel sehe,<br />
werde ich schwach.<br />
Sie haben 2006 gesagt, ein halber Liter<br />
Wein am Tag mache einen Mann gesund.<br />
Da gab es gleich Diskussionen, Sie würden<br />
zum Saufen aufrufen.<br />
Als ich Weinbauminister in Rheinland-<br />
Pfalz war, haben wir an der Uni Freiburg<br />
eine Studie in Auftrag gegeben. Es<br />
gab ja das sogenannte French Paradox:<br />
Dass die Franzosen länger leben, obwohl<br />
sie Rotwein trinken. Kardiologen in den<br />
USA haben festgestellt, dass Rotweintrinker<br />
weniger Plaquebildung in den Herzkranzgefäßen<br />
haben und deshalb weniger<br />
infarktgefährdet sind. Weil in Rheinland-<br />
Pfalz viel mehr Weißwein angebaut wird,<br />
wollte ich wissen, ob der auch solche<br />
Wirkung haben kann.<br />
Und?<br />
Die Tests in Freiburg haben ergeben, dass<br />
Weißwein ähnliche Effekte hat. Soweit<br />
ich mich erinnere, liegt die Obergrenze,<br />
wo der Weingenuss wieder ins Ungesunde<br />
umschlagen kann, bei Frauen bei<br />
0,4 Liter am Tag und bei Männern bei<br />
einem halben Liter. Es gab dann Proteste<br />
von Medizinern, ich würde dem Drogenkonsum<br />
das Wort reden. Das wichtigste<br />
Ergebnis der Studie war, dass man alles<br />
nur in Maßen genießen sollte.<br />
Hat das Ihrem Image gutgetan?<br />
Es war Teil meines Ministeramts, auch<br />
solche Fragen sachlich zu klären. Übrigens:<br />
Die Herzkranzgefäße schützt auch<br />
Olivenöl. Ein gutes Olivenöl, ein Stück<br />
Weißbrot und ein Glas Wein, das hab ich<br />
für mein Leben gern. Und noch ein bisschen<br />
Schafskäse.<br />
Sind denn die schweren Zeiten der FDP<br />
leichter zu ertragen, wenn man mal ein<br />
Glas trinkt und nachdenkt?<br />
Wichtig ist, dass man die Fähigkeit hat,<br />
sich mal rauslösen zu können aus den<br />
schwierigen Zusammenhängen. Ich muss<br />
ab und zu auf eine innere Insel gehen.<br />
Die Menschen mit den verklemmten,<br />
verkniffenen Gesichtern können auch<br />
keine vernünftige Politik machen. Politik<br />
braucht manchmal auch ein bisschen<br />
Fröhlichkeit, Wärme und Humor.<br />
Politische Verhandlungen als gemütliches<br />
Beisammensein, das meinen Sie doch<br />
nicht im Ernst.<br />
In Verhandlungen muss man klare Kante<br />
zeigen. Koalitionen sind zwar keine Liebesheiraten,<br />
aber man muss sich mit dem<br />
Partner verstehen. Und das geht manchmal<br />
leichter, wenn man die eine oder andere<br />
politische Frage in einem ansprechenden<br />
Rahmen diskutiert.<br />
Was ist Ihre Prognose für die<br />
Niedersachsen-Wahl?<br />
Ich glaube, dass die christlich-liberale Regierung<br />
ihre Arbeit fortsetzen kann und<br />
die FDP unter Stefan Birkner mit einem<br />
guten Ergebnis dazu beiträgt. Nach oben<br />
gibt es da keine Begrenzung.<br />
Und nach unten?<br />
Jetzt versuchen Sie es schon wieder: Dass<br />
ich eine Untergrenze festlege und damit<br />
sage, dass Philipp Rösler geht, wenn wir<br />
die nicht schaffen. Den Anfängerfehler<br />
mach ich aber einfach nicht.<br />
Das Gespräch führten Georg Löwisch und<br />
Christoph Schwennicke<br />
52 <strong>Cicero</strong> 11.2012