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| S a l o n | D a s S c h w a r z e s i n d d i e B u c h s t a b e n<br />
So ist das<br />
Auch die Beschreibung der Trostlosigkeit tröstet: ein Film und<br />
drei Bücher über den Tod und die rettende Kraft des Erzählens<br />
Die Bücherkolumne von Robin Detje<br />
E<br />
s ist November, und es ist düster.<br />
Da können wir auch gleich über<br />
den Tod nachdenken. Vielleicht<br />
ändert sich gerade etwas an unserer Art,<br />
das zu tun. Vielleicht haben wir das Michael<br />
Haneke zu verdanken und seinem<br />
großen Film „Liebe“, der vom Ende einer<br />
Liebe durch Eintritt des Todes handelt.<br />
Diesen Film muss man gesehen haben.<br />
Was wir uns ansehen dürfen, darüber<br />
können wir reden. Worüber man reden<br />
kann, das muss man nicht mehr verdrängen.<br />
Bei Haneke darf man sich das hässliche<br />
Alter in seiner ganzen Würde ansehen.<br />
Die Bilder sind statisch: Die Kamera<br />
tut uns nicht den Gefallen wegzublicken.<br />
Wir werden nicht abgeschoben ins Jugendzentrum<br />
der wackelnden Handkamera, die<br />
uns unter Empathiezwang setzt, wir dürfen<br />
selber hinsehen. Auch uns lässt man<br />
so unsere Würde.<br />
Bei Hanser Berlin ist das schöne Buch<br />
zum Film erschienen. Es enthält Szenenfotos,<br />
das Drehbuch, Faksimiles von dessen<br />
Drehfassung und einen geradezu endgültig<br />
klugen Essay von Georg Seeßlen.<br />
Der Umschlag ist leicht, das Papier schwer<br />
und teuer (Michael Haneke: „Liebe – Das<br />
Buch“; Hanser Berlin, Berlin 2012; 208 Seiten,<br />
19,90 Euro). Man kann jetzt also noch<br />
einmal nachsehen und nachlesen. Und<br />
auch bei diesem zweiten Durchgang auf Papier<br />
beeindruckt der Stoizismus des alten<br />
Mannes, der seine sterbende Frau pflegt,<br />
besonders. Die Tochter rebelliert gegen den<br />
Tod, sie will nicht von der Mutter verlassen<br />
werden, es muss doch etwas geben, was man<br />
tun kann! Der Vater, Georg, weiß, dass man<br />
nichts machen kann als aushalten. Jeder seiner<br />
Blicke sagt: So ist das eben. Und dann<br />
sagt er: „Können wir jetzt von etwas anderem<br />
reden?“ Darin liegt seine ganze Würde<br />
und die seiner Frau. Und um den Schutz<br />
dieser Würde geht es, vor den Zudringlichkeiten<br />
der Jüngeren, die da pflegen und waschen<br />
und putzen kommen wollen, damit<br />
sie sich besser fühlen, und die dann sagen:<br />
„Willst du nicht noch einen anderen Arzt<br />
zu Rate ziehen?“<br />
Die <strong>letzte</strong> Szene schenkt Haneke der<br />
Tochter, Eva. Sie streift allein durch die verlassene<br />
Wohnung der Eltern. Sie setzt sich.<br />
Sie sitzt da. Mehr ist nicht mehr zu tun. So<br />
ist das eben. Es braucht eigentlich keinen<br />
anderen Satz als diesen, um uns von unserem<br />
bizarren Umgang mit dem Tod zu heilen.<br />
Wir verkitschen so gern! Und wie unter<br />
Zwang schieben wir dann die Alten ins<br />
Pflegeheim ab, um ihn weiter verdrängen<br />
illustration: cornelia von seidlein<br />
152 <strong>Cicero</strong> 11.2012