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Cicero Hitlers letzte Bombe (Vorschau)

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| B e r l i n e r R e p u b l i k | R ü c k s c h a u<br />

Der Alte, das<br />

Altern und ich<br />

Der eigene Hosenbund ist von der 32 auf die 34 gewandert. Und Helmut Kohl ist ein<br />

Greis. Man kann den Alten wie einen Spiegel nehmen, in dem man sein Leben anschaut<br />

von Kurt Kister<br />

W<br />

oran merkt man, dass man<br />

wirklich älter wird?<br />

Nein, es geht jetzt nicht<br />

um solch verdrießliche<br />

Dinge wie Haarausfall oder<br />

die trüb stimmende Erkenntnis, dass zwar<br />

die Beinlänge der Jeans bei 32 bleibt, der<br />

Bund aber nach 34 gewandert ist und keinerlei<br />

Anstalten macht, das Weiterwandern<br />

einzustellen. Über so etwas kann man sich<br />

hinweghelfen, sei es indem man sich wie<br />

Bruce Willis den Schädel rasiert oder sei es,<br />

dass man die Hemden nur noch über der<br />

Hose trägt, was ja sogar die coolen Italiener<br />

ohne Bauch tun (die mit Bauch allerdings<br />

auch).<br />

Nicht hinweghelfen kann man sich<br />

über die Erkenntnis, dass Menschen, die<br />

für das eigene Leben eine gewisse Rolle<br />

spielten, ebenfalls alt, sehr alt geworden<br />

sind. Und darin spiegelt man auch sich<br />

selbst – „den hätte ich jetzt fast nicht mehr<br />

erkannt, der ist aber alt geworden“. Man<br />

rechnet nach und stellt fest, dass man jetzt<br />

selbst so alt ist wie er, der heute Alte, es<br />

damals war, als man ihn auf dem Höhepunkt<br />

seiner Karriere kannte und beobachtete.<br />

Das ist eigentlich nicht so lange her.<br />

Und doch sind es schon wieder 25 Jahre.<br />

Zum Beispiel Helmut Kohl. Als der<br />

vor ein paar Wochen gefeiert wurde, waren<br />

Fotos und Videoclips des alten Kanzlers<br />

im Rollstuhl omnipräsent. (Er wurde<br />

gefeiert, weil er vor 30 Jahren zum Kanzler<br />

gewählt worden war. Vor 30 Jahren? Kann<br />

das wirklich sein?)<br />

Kohl, der einst so agile Riese, ist im Alter<br />

geschrumpft. Er ist greisenhaft geworden,<br />

was nicht an seinem Lebensalter liegt,<br />

weil es andere 82-Jährige gibt, die sich zu<br />

Recht nicht als Greis bezeichnen lassen mögen.<br />

Ihn aber hat das Schicksal niedergeworfen.<br />

Ja, das klingt pathetisch. Vielleicht<br />

ist er trotzdem zufrieden, gar glücklich –<br />

auch weil ihm bewusst ist, dass er sich „eingeschrieben<br />

hat ins Buch der Geschichte“,<br />

wie er das früher formuliert hätte.<br />

Sollte er noch lesen, wird er vielleicht<br />

gelächelt haben bei der Lektüre mancher<br />

Jubiläumstexte von Noch-nicht-ganz-so-<br />

Alten, die schon früher über ihn geschrieben<br />

haben und es bis heute nicht verwinden<br />

können, dass jener Kohl – der von der<br />

geistig-moralischen Wende, der Provinzler,<br />

die Birne – doch irgendwie gesiegt hat, ein<br />

Großer wurde. Und sei es nur retrospektiv.<br />

(„Aber nicht die Parteispendenaffäre vergessen!“,<br />

tönt es aus der Kulisse …)<br />

Ach ja, Erinnerung. „Die Hamburger<br />

Blätter“ spielten damals eine große Rolle.<br />

Politisch. Sie schrieben gerne gegen Kohl<br />

Illustration: Jan Rieckhoff<br />

64 <strong>Cicero</strong> 11.2012

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