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C i c e r o | S t a d t g e s p r ä c h<br />
und Medaille vor dem Reichstag ablichten.Wie<br />
lange er gebraucht hat, mochte<br />
er aber nicht verraten. Nur so viel: „Die<br />
Kenianer waren schneller.“ hp<br />
Digitaler Gruppenzwang:<br />
Twitter-Test mit Folgen<br />
E<br />
igentlich sind 140 Zeichen nicht<br />
viel. Eigentlich. Für Johannes<br />
Singhammers ersten Twitter-Versuch<br />
waren es dann doch zu viele. Dem<br />
stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden<br />
der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag<br />
genügten genau vier Zeichen. Er startete<br />
seine Twitter-Jungfernfahrt mit einem einfachen<br />
„Test“. Das schlug ein. Auch deshalb,<br />
weil den Vier-Buchstaben-Tweed ein<br />
analoger Hilfeschrei flankierte: Singhammer<br />
warb (Achtung!) per Post um neue<br />
Follower: „Seit kurzem bin ich auch bei<br />
Twitter. Ich möchte Sie einladen, mir zu<br />
folgen.“<br />
Ein Journalist der Süddeutschen Zeitung<br />
freute sich so sehr über die ungewöhnliche<br />
Feldpost, dass er sie ins Netz<br />
stellte. Und wie man in das World Wide<br />
Web hineindilettiert, so zwitschert es auch<br />
meist heraus. Die Reaktionen begannen<br />
mit einem einfachen „*muahahahahaha*“<br />
und endeten mit gut gemeinten Gleichnissen<br />
à la „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“.<br />
Motto, ach guck ma, wie putzig,<br />
der Singhammer. Die ersten viralen<br />
Schritte sind bisweilen eben beschwerlich<br />
und für Außenstehende mitunter unerträglich.<br />
Erinnert sei an Horst Seehofers<br />
Facebook-Party, die – neben jungen<br />
Leuten – vor allem zum Fremdschämen<br />
einlud. Es gibt ihn wohl: den digitalen<br />
Gruppenzwang im Bundestag. Wie sonst<br />
lässt sich erklären, dass gestandene Abgeordnete<br />
um jeden Preis auf den 140‐Zeichen‐Zug<br />
aufspringen wollen. Immerhin:<br />
Mehr als ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten<br />
twittert. Auch Singhammer<br />
wollte wohl einfach nur dazugehören.<br />
Sendebewusstsein 2.0 sozusagen. Na<br />
dann: Test. ts<br />
Talk mit Kauder:<br />
Nur ohne Precht<br />
L<br />
iebe Kollegen in den Talkshow-<br />
Redaktionen, falls Sie darüber<br />
nachdenken, den Vorsitzenden<br />
der Unionsfraktion im Bundestag, Volker<br />
Kauder, in eine Ihrer Gesprächsrunden<br />
einzuladen, sollten Sie Folgendes wissen:<br />
Herr Kauder kommt grundsätzlich<br />
gern, aber nur unter der Bedingung, dass<br />
der TV-Philosoph Richard David Precht<br />
nicht ebenfalls zu Gast ist. Es wäre übrigens<br />
ein guter Einstieg, ihn nach den Beweggründen<br />
für seine Doktrin zu fragen.<br />
Stets zu Diensten, <strong>Cicero</strong>. mar<br />
RaSANTER absturz:<br />
RÖTTGEN GANZ UNTEN<br />
W<br />
as ist aus Norbert Röttgen<br />
geworden? Ein CDU-Abgeordneter<br />
reagiert mit beklommenem<br />
Blick auf die Frage nach dem Mitte Mai<br />
von Merkel abgesetzten Bundesumweltminister.<br />
Ein anderer gruselt sich. Verständlich.<br />
Geschasst zu werden, nachdem man<br />
einen Landtagswahlkampf vermurkst hat<br />
und karrieretechnisch ein wenig zu fleißig<br />
war – davor graust es jeden Politiker.<br />
Und auch die Rasanz des Machtverlusts<br />
macht beklommen. Als hätte jemand das<br />
Seil eines Fahrstuhls durchtrennt, der gerade<br />
kurz vor dem obersten Stock angekommen<br />
ist. Der Fahrstuhl stürzt durch<br />
die Stockwerke. Chef des größten CDU-<br />
Landesverbands: weg, Bundesumweltminister:<br />
aus, Bundesvize der Partei: vorbei.<br />
„Wenn er alleine steht, heißt es: er sondert<br />
sich ab“, beschreibt ein Fraktionsmitglied,<br />
„und wenn er mit jemandem redet,<br />
heißt’s: er sucht Anschluss.“ Es ist so<br />
schnell gegangen, dass Röttgen selbst offensichtlich<br />
Schwierigkeiten hatte, das zu realisieren.<br />
Er wollte eigentlich beim CDU-<br />
Parteitag im Dezember in Hannover für<br />
den Bundesvorstand kandidieren. In dem<br />
Gremium sitzen ein paar Dutzend Leute,<br />
für einen, der fast ganz oben war, eigentlich<br />
eine kleine Nummer. Aber um die fünf<br />
für NRW vorgesehenen Plätze bewarben<br />
sich gleich sechs andere Parteifreundinnen<br />
und -freunde. Röttgen? Sein Problem. Er<br />
hat dann doch noch zurückgezogen. Wenn<br />
der Fahrstuhl durch den Schacht nach unten<br />
rast, behält man den Kopf besser drin.<br />
Unten, im Erdgeschoss bleibt dann immer<br />
noch das Bundestagsmandat. löw<br />
Aus der Portokasse:<br />
ein kohl für 55 cent<br />
H<br />
elmut Kohl ist jetzt auch als<br />
Briefmarke zu haben – fünf Millionen<br />
Mal zum Preis von 55 Cent.<br />
Ein Porträt des Springer-Fotografen Daniel<br />
Biskup war die Vorlage für das Konterfei<br />
des Altkanzlers. Konrad Rufus Müller, der<br />
viele großartige Kohl-Bilder gemacht hat,<br />
ging leer aus. Eine Intrige der neuen Ehefrau<br />
Maike Kohl-Richter, vermutet Müller,<br />
der früher ganz eng mit dem CDU-Politiker<br />
war, aber nun seit zwei Jahren aus seinem<br />
Umfeld verbannt ist. Der „Kanzlerfotograf“<br />
ist davon überzeugt, dass Kohl<br />
viel lieber jenes Müller-Bild auf der Briefmarke<br />
gesehen hätte, das er auch auf die<br />
Cover aller drei Bände seiner Lebenserinnerungen<br />
drucken ließ. Nachdenklich und<br />
voller Lebenskraft sieht er darauf aus, seinen<br />
Kopf hat er in die Finger der linken<br />
Hand gestützt, seinen Blick in die Unendlichkeit<br />
gerichtet. In dieser Pose des<br />
Welten lenkers gefiel er sich. Aber das habe<br />
wohl die neue Frau Kohl verhindert. Die<br />
Post erklärt, ihr Kunstbeirat habe das Motiv<br />
ausgewählt. Allerdings betont sie auch,<br />
„die Familie Kohl“ – also auch seine Frau<br />
Maike – „war an jedem Schritt beteiligt<br />
und hat dem Bild am Ende zugestimmt“.<br />
Lange können Kohl-Fans ihr Idol allerdings<br />
nicht als Briefporto nutzen. Auf die Weihnachtspost<br />
können sie ihn noch draufpappen.<br />
Doch schon die Neujahrsgrüße müssen<br />
ohne Kohl auskommen. Am 1. Januar<br />
erhöht die Post das Porto. step<br />
illustrationen: Cornelia von Seidlein<br />
12 <strong>Cicero</strong> 11.2012