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Herrscher<br />
der Meere<br />
Amerika ruft das pazifische Zeitalter aus. China<br />
schwingt sich zur regionalen Hegemonialmacht auf.<br />
Und in den asiatischen Nachbarländern wächst die<br />
Angst. In der Region verteilen sich die Kräfte neu<br />
von Oliver Radtke<br />
Illustration: Leif Heanzo<br />
E<br />
nde der siebziger Jahre bemühten<br />
sich China und Japan um den<br />
Abschluss eines Friedens- und<br />
Freundschaftsvertrags. Die Übereinkunft<br />
über die Diaoyu-Inseln,<br />
die schließlich unter dem damaligen Vizepremier<br />
Deng Xiaoping mit Japans Ministerpräsident<br />
Fukuda Takeo zustande kam,<br />
hatte geradezu salomonischen Charakter.<br />
„Es ist verständlich, dass beide Seiten unterschiedliche<br />
Auffassungen in der Frage der<br />
Inseln haben, die Ihr Senkaku-Inseln und<br />
wir Diaoyu-Inseln nennen. Es ist eine gute<br />
Entscheidung, dass wir diese Frage in unseren<br />
Verhandlungen nicht berühren. Die<br />
nächsten Generationen werden die Frage<br />
mit größerer Weisheit angehen. Wir sollten<br />
uns gegenwärtig darauf beschränken, die<br />
Lage ins Auge zu fassen.“ Mit diesen Worten<br />
schuf Deng am 25. Oktober 1978 die<br />
Grundlage für eine langfristige und pragmatische<br />
Sicht auf territoriale Streitigkeiten<br />
zwischen den beiden Ländern.<br />
Knapp 34 Jahre später scheint es mit<br />
der Weisheit nicht weit her zu sein. Am<br />
25. September lieferten sich Boote der japanischen<br />
Küstenwache mit taiwanesischen<br />
Hochseefischern ein feuchtes, alles andere<br />
als fröhliches Wasserkanonengefecht wenige<br />
Seemeilen von derselben Inselgruppe<br />
entfernt, die Deng drei Jahrzehnte zuvor<br />
zu seinem Ausspruch veranlasste.<br />
11.2012 <strong>Cicero</strong> 75