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Gleichgewicht des Kontinents erschütterte, sollte durch seine<br />
Europäisierung ein für allemal gezähmt werden. Auch Charles<br />
de Gaulle akzeptierte schließlich die Logik dieses Konzepts. Er<br />
sorgte dafür, dass die Deutschen – kraft ihres wirtschaftlichen<br />
und technischen Potenzials – zur zweiten Macht in der Gemeinschaft<br />
aufstiegen, als Frankreichs wichtigster Partner.<br />
Aber stand, wie in der Welt behauptet, die Unterzeichnung<br />
der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
in unmittelbarem Zusammenhang mit dem<br />
Scheitern des französisch-britisch-israelischen Krieges um den<br />
Sueskanal im Sommer 1956? Die Intervention Präsident Dwight<br />
D. Eisenhowers war nicht zuletzt durch den Aufstand in Ungarn,<br />
sein tragisches Ende und die sowjetische Kriegsdrohung<br />
bestimmt. Die Römischen Verträge aber waren zu jenem Zeitpunkt<br />
längst ausgearbeitet. Europa war für Frankreich nicht der<br />
„Plan B“.<br />
Der damals amtierende französische Ministerpräsident Guy<br />
Mollet war kein passionierter Europäer, sondern – wie so viele<br />
französische Sozialisten – tief im Nationalbewusstsein der Großen<br />
Revolution verwurzelt. Es gab nur wenige Sozialisten, die anders<br />
dachten, etwa Premierminister Michel Rocard, Kommissionspräsident<br />
Jacques Delors (in seinem Herzen ein Christdemokrat)<br />
und Präsident François Mitterrand (ein Kalkül-Sozialist, der die<br />
Partei als Vehikel für die Eroberung der Präsidentschaft brauchte).<br />
Die deutsche Wiedervereinigung wäre vermutlich an seinem Veto,<br />
dem der britischen Regierungschefin Margaret Thatcher, dem der<br />
Polen und Tschechen gescheitert, hätten sie daran gezweifelt, dass<br />
auch das größere Deutschland in die Europäische Union (und<br />
die Nato) eingebunden bleiben würde. Mitterrand verlangte als<br />
entscheidende Garantie die gemeinsame Währung. Der Europäer<br />
Kohl akzeptierte. Der kleine Fuchs in Paris und der große in<br />
Bonn wussten, dass der Euro nur lebensfähig sein würde, wenn er<br />
von einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik getragen<br />
würde. Er sollte die politische Union erzwingen.<br />
Indes, die Euroländer drückten sich an der Konsequenz<br />
vorbei. Bis heute, da Griechenland, Irland, Portugal und Spanien<br />
vom Bankrott bedroht sind (und sich Italien der Gefahrenzone<br />
nähert). Die Solidarität 1 der 09.10.12 Großen, 16:26 die für Seite Hunderte 1 taz_geldzurueck_cicero_210x94_4c_Layout von<br />
Foto: Picture Alliance/DPA<br />
Milliarden bürgen, fordert zwingend eine gemeinsame Kontrolle<br />
der Staatsfinanzen und der Banken, kurz: ein Finanzministerium<br />
der Euroländer, der entscheidende Schritt zur politischen<br />
Union. Mit kühler Bestimmtheit verlangt die Kanzlerin<br />
den institutionellen Fortschritt, ehe Deutschland zu weiteren<br />
Leistungen bereit ist. Dafür hatte sie dem bisherigen französischen<br />
Präsidenten, Nicolas Sarkozy, die prinzipielle Zustimmung<br />
abgerungen. Wohl wissend, dass die Widerstände im eigenen<br />
Land gegen die Aufgabe weiterer „Souveränitätsrechte“<br />
beträchtlich sein würden. Der neue Hausherr im Élysée-Palast<br />
ist hingegen von der national-etatistischen Tradition der Sozialisten<br />
geprägt. Hatte Hollande nicht verkündet, keine französische<br />
Regierung werde das nationale Budget von einer fremden<br />
Instanz kontrollieren lassen?<br />
Eine gemeinsame Finanzpolitik aber fordert gleiche Regeln<br />
für alle. Erst dann ist ein organisierter Ausgleich zwischen Reich<br />
und Arm denkbar, durch Eurobonds oder eine Ordnung, die<br />
sich am Finanzausgleich der deutschen Länder orientiert.<br />
Das Ziel ist, wie von Jean Monnet abgesteckt, die Auflösung<br />
der „deutschen Frage“ durch die Einbindung in den europäischen<br />
Bundesstaat – zunächst aber in die Föderation der Euroländer.<br />
In Deutschland mag dieser Schritt ein Referendum<br />
verlangen (obwohl die Vereinigung Europas im Grundgesetz<br />
verankert ist). Die französischen Sozialisten, für die der Glaube<br />
an den republikanischen Nationalstaat eine ersatzreligiöse Bedeutung<br />
hat, ist der Verzicht auf weitere „Souveränitätsrechte“<br />
schwierig (so ausgehöhlt sie auch sind). Aber wer mit dem Euro<br />
A gesagt hat, muss den Mut zu B haben. Präsident Hollande<br />
muss sich zu Europa bekennen. Die Kanzlerin, die Mehrheit ihrer<br />
Partei, die Sozialdemokraten und Grünen werden es nicht<br />
zulassen, dass Europa aus Feigheit oder Kurzsichtigkeit hinter<br />
das Jahr 1914 zurücktreibt.<br />
Klaus harpprecht<br />
wirkte von 1972 bis 1974 als Redenschreiber<br />
im Bundeskanzleramt. Zuletzt erschien von<br />
ihm: „Arletty und ihr deutscher Offizier“<br />
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