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| S a l o n | z e i t g e s c h i c h t e<br />
Protokoll eines<br />
kommenden weltkriegs<br />
Vor 75 Jahren sprach Adolf Hitler auf einer Geheimkonferenz vom „Anrecht auf größeren<br />
Lebensraum“ – der Wehrmachtsadjutant Friedrich Hoßbach hat sie der Nachwelt überliefert<br />
von Konstantin Sakkas<br />
Friedrich Hoßbach, Oberst im Generalstab,<br />
war am 5. November 1937 als Protokollant<br />
der einzige Statist in der Geheimbesprechung,<br />
die Hitler mit seinen führenden Militärs<br />
abhielt. Hoßbachs Niederschrift diente<br />
bei den Nürnberger Prozessen als eines<br />
der wichtigsten Zeugnisse der Anklage<br />
B<br />
erlin, Reichskanzlei, am 5. November<br />
1937. Die Spitzen der<br />
deutschen Reichsregierung und<br />
der Wehrmacht sind zu einer Geheimbesprechung<br />
zusammengekommen.<br />
Den Vorsitz hat der Führer und<br />
Reichskanzler Adolf Hitler. Neben ihm<br />
sind anwesend: der Reichsminister des<br />
Auswärtigen, Konstantin Freiherr von<br />
Neurath, der Reichskriegsminister und<br />
Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Generalfeldmarschall<br />
Werner von Blomberg,<br />
sowie die ihm unterstellten Oberbefehlshaber<br />
der drei Wehrmachtteile: Generaloberst<br />
Werner Freiherr von Fritsch (Heer),<br />
Generaladmiral Erich Raeder (Kriegsmarine)<br />
und Generaloberst Hermann Göring<br />
(Luftwaffe), der zugleich Preußischer<br />
Ministerpräsident, Reichsluftfahrtminister<br />
und Beauftragter für den Vierjahresplan<br />
ist. Der einzige Statist in dieser Personnage:<br />
Oberst im Generalstab Friedrich<br />
Hoßbach, Wehrmachtsadjutant des Führers,<br />
der das Kriegsende acht Jahre später<br />
als Vollgeneral und Oberbefehlshaber der<br />
4. Armee erleben wird. Überliefert wird die<br />
Besprechung durch seine Aufzeichnungen:<br />
die Hoßbach-Niederschrift. Im Nürnberger<br />
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher<br />
1945/46 wird sie eines der wichtigsten<br />
Zeugnisse der Anklage sein.<br />
Das Jahr 1937 gilt in der NS-Forschung<br />
als „ruhiges Jahr“. Es gehört in<br />
den Abschnitt zwischen der Zeit der ersten<br />
Gewaltmaßnahmen, mit denen die<br />
Diktatur sich zwischen 1933 und 1934<br />
im Innern etablierte, und dem Aktionismus<br />
der Jahre 1938 und 1939, als Hitler<br />
zielgenau und durch kein Zugeständnis<br />
beirrt auf den Kriegsausbruch zusteuerte.<br />
Selbst der Terror, den das Regime gegen<br />
seine – wahren und vermeintlichen – Gegner<br />
ausübte, erreichte in diesem Jahr einen<br />
formellen Tiefststand: Mit 7500 Menschen<br />
waren so wenige NS‐Opfer wie niemals<br />
sonst in den sechs Konzentrationslagern<br />
inhaftiert, die die SS damals in Deutschland<br />
unterhielt. Die Olympischen Spiele<br />
1936 hatten dem nationalsozialistisch regierten<br />
Deutschland internationalen Glamour<br />
verliehen (und die Machthaber zu<br />
einer gewissen Zurückhaltung gegenüber<br />
Foto: BPK/Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich, BPK<br />
128 <strong>Cicero</strong> 11.2012