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Cicero Hitlers letzte Bombe (Vorschau)

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| W e l t b ü h n e | d i e n e u e s e e m a c h t<br />

Modernisierung in allen Bereichen. Nach<br />

Angaben des Stockholm International<br />

Peace Research Institute (Sipri) stiegen<br />

Chinas Verteidigungsausgaben von<br />

30 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf<br />

etwa160 Milliarden Dollar im Jahr 2012.<br />

Dieser Zuwachs ist zwar deutlich, liegt aber<br />

nach wie vor weit hinter den USA mit Ausgaben<br />

in Höhe von 662 Milliarden Dollar.<br />

Jenseits der Zahlen sollte man zum einen<br />

nicht vergessen, dass die Größe des Militärs<br />

und der Umfang seiner militärischen<br />

Ausrüstung noch keine direkten Schlüsse<br />

auf seine Einsatzfähigkeit zulassen und<br />

zum anderen, dass Peking zunächst an der<br />

inneren Sicherheit des Landes interessiert<br />

ist, deren Gewährleistung eine beachtliche<br />

Menge an Personal bindet. Dazu kommt:<br />

Peking wünscht sich zwar eine modernere<br />

Armee, fürchtet aber gleichzeitig eine allzu<br />

unabhängige Militärmacht.<br />

Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus<br />

der chinesischen Streitkräfte auf asymmetrischen<br />

Manövern, also einer effizienten<br />

Abwehr beziehungsweise Störung amerikanischer<br />

Streitkräfte entlang der „Ersten<br />

Inselkette“ vor China, darunter auch der<br />

nach wie vor hochsensible Streitfall Taiwan.<br />

Zwar werden die amerikanischen Verteidigungsausgaben<br />

– nach aktuellem<br />

Stand – in den nächsten zehn Jahren um<br />

rund 500 Milliarden Dollar gekürzt werden.<br />

Die Militärpräsenz aber wird sich –<br />

sehr zum Unmut Chinas – erhöhen. Im<br />

australischen Darwin sollen Soldaten, in<br />

Singapur mehrere Kriegsschiffe stationiert<br />

und auf den Philippinen ehemalige Stützpunkte<br />

wiederbelebt werden. Neue Militärbündnisse<br />

mit Australien, Japan und Südkorea<br />

verdeutlichen: Nicht nur die USA,<br />

auch Chinas unmittelbare Nachbarn beobachten<br />

die Rüstungs- und Militärpolitik<br />

des Landes ganz genau. Und sie reagieren<br />

darauf mit einer stärkeren Zusammenarbeit<br />

mit Amerika.<br />

Nur: In ihrer Hinwendung zum Pazifik<br />

sollten die USA auch einer tiefen Verunsicherung<br />

in China Rechnung tragen. Sie<br />

erfordert ein breit angelegtes Engagement<br />

Der Aufstieg neuer Mächte war stets<br />

begleitet von großen Spannungen<br />

oder kriegerischen Auseinandersetzungen,<br />

wenn die alten<br />

Mächte sich den notwendigen<br />

veränderungen und Anpassungen<br />

in der internationalen Ordnung<br />

widersetzten<br />

der Amerikaner, das sowohl die neue chinesische<br />

Führungsriege einschließt als auch<br />

Akademiker und militärische Strategen sowie<br />

eine enge Kooperation, wie es sie im zivilen<br />

Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />

längst gibt.<br />

Dabei gilt es, auch den deutlich vernehmbaren<br />

chinesischen Nationalismus<br />

richtig einzuschätzen. Dass der frühere<br />

Politstar und ehemalige Chongqinger Parteichef<br />

Bo Xilai im Zuge des Mordprozesses<br />

gegen dessen Ehefrau aus der Kommunistischen<br />

Partei ausgeschlossen wurde<br />

(und seinerseits ein Strafverfahren zu erwarten<br />

hat), weist womöglich auf eine tiefer<br />

gehende Zersplitterung der Führungsriege<br />

hin, deren Folgen bislang noch gar<br />

nicht abzusehen sind. Das jüngste kollektive<br />

Japan-Bashing, die staatlich orchestrierten<br />

Proteste und Boykotte japanischer<br />

Produkte stellen notdürftig eine nationale<br />

Einheit wieder her, welche durch die immense<br />

Zahl an sozialen Unruhen längst<br />

fragil geworden ist. Wer den Tiger reitet,<br />

kann schwer absteigen (qi hu nan xia), besagt<br />

ein chinesisches Sprichwort aus der<br />

Ming-Dynastie, das in diesen Tagen gern<br />

zitiert wird. Die Regierung reitet den Tiger<br />

gerne, und solange er den Reiter nicht<br />

beißt oder abwirft, wird sie das weiter tun.<br />

Doch wie oft kann oder will sie ihn noch<br />

reiten?<br />

Der Aufstieg neuer Mächte war stets begleitet<br />

von großen Spannungen oder kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen, wenn die<br />

alten Mächte sich den notwendigen Veränderungen<br />

und Anpassungen in der internationalen<br />

Ordnung widersetzten. Ein<br />

bewaffneter Konflikt zwischen China und<br />

den USA wäre jedoch weder im Interesse<br />

Pekings noch Washingtons.<br />

Die USA haben es in der Hand, ihre<br />

Bündnispartner auf den Aufstieg Chinas<br />

einzustimmen. Gleichzeitig sollten sich<br />

die Vereinigten Staaten davor hüten, Erwartungshaltungen<br />

zu schüren, die sie im<br />

Ernstfall nicht erfüllen können. Ebenso<br />

muss sich die neue chinesische Führung,<br />

sofern sie stark genug sein wird, von einem<br />

überholten nationalstaatlichen Selbstverständnis<br />

verabschieden.<br />

China und Amerika werden nicht<br />

zwangsweise über eine normale Rivalität<br />

zweier Supermächte hinauswachsen, urteilte<br />

jüngst der ehemalige US-Außenminister<br />

Henry Kissinger. Aber sie schulden<br />

sich und der Welt zumindest den Versuch.<br />

Eine Möglichkeit wäre die Gründung einer<br />

Pazifischen Gemeinschaft, wie es das Atlantische<br />

Bündnis zwischen Europa und den<br />

USA bereits vorlebt. Diese Gemeinschaft<br />

könnte sich als gemeinsamer Entwicklungsprozess<br />

aller Anrainerstaaten verstehen<br />

und nicht als strategische Partnerschaft<br />

zwischen den beiden großen Mächten in<br />

Ost und West.<br />

Beinahe 35 Jahre sind seit Dengs Äußerungen<br />

über die Senkaku-Inseln vergangen.<br />

Zeit für einen Versuch, „die Weisheit<br />

der nächsten Generationen“ einem Praxistest<br />

zu unterziehen.<br />

Oliver Radtke leitet das<br />

China-Programm der Robert Bosch<br />

Stiftung. Zuletzt erschien von ihm<br />

„50 Mal Mund auf in China –<br />

was man gegessen haben muss“<br />

Foto: Privat<br />

78 <strong>Cicero</strong> 11.2012

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