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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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Die (zu vermutenden) gedanklichen Anleihen <strong>Platon</strong>s bei den Pythagoreern sind noch viel<br />

umfangreicher. Zu umfangreich, als dass sie hier, in einem knappen Papier, alle<br />

dargestellt werden könnten. Gerade Kenner der pythagoreischen Tradition neigen dazu,<br />

<strong>Platon</strong>s Leistungen zu einem erheblichen Teil als produktive Umgestaltung und<br />

Neudeutung älterer pythagoreischer Lehren zu verstehen. In der griechischen <strong>Antike</strong> hatte<br />

man die Anlehnung <strong>Platon</strong>s an die Pythagoreer phasenweise so sehr (über-)betont, dass<br />

<strong>Platon</strong> beinahe schon ein Pythagoreer zu sein schien. Abseits solcher Übertreibungen<br />

bleibt aber festzuhalten, dass vieles in <strong>Platon</strong>s Denken sowohl an Konzepte der<br />

Pythagoreer anknüpft, wie diese aber auch zu etwas Neuem ausgestaltet:<br />

In der platonischen Schule aber wurden, zuerst von <strong>Platon</strong> selbst, sodann von<br />

seinen unmittelbaren Nachfolgern, pythagoreische Gedanken zwar aufgenommen<br />

und weiterentwickelt, dabei jedoch entscheidend umgedeutet (...) 29<br />

Neben dem Einfluss, den die Traditionen der antiken <strong>Mathematik</strong> (insbesondere die<br />

pythagoreische Schule) auf <strong>Platon</strong>s Denken hatten, gibt es auch gewichtige Einflüsse, die<br />

<strong>Platon</strong> seinerseits auf die antike <strong>Mathematik</strong> ausübte. <strong>Platon</strong> hat das Selbstverständnis<br />

der antiken <strong>Mathematik</strong> entscheidend geprägt und war eine Art philosophischer Schutzpatron<br />

der <strong>Mathematik</strong>. Als echter <strong>Mathematik</strong>er, der neue Sätze bewies, ist <strong>Platon</strong><br />

allerdings nicht in Erscheinung getreten. 30<br />

In den frühen Zeiten der antiken <strong>Mathematik</strong> waren die Idealisierungen, von denen die<br />

Geometrie in ihren Grundbegriffen (Punkt, Linie, etc.) so entscheidend abhängt, noch<br />

keineswegs durchgängig als legitimes Konstrukt mathematischen Denkens akzeptiert. So<br />

hat z.B der berühmte und höchst angesehene Sophist Protagoras (ca. 485 - 415 v.Chr.),<br />

solche Idealisierungen der Geometrie noch nicht zugestanden. Er bestreitet deswegen,<br />

dass die Tangente den Kreis nur in einem ausdehnungslosen Punkt berührt. 31<br />

Solchen Kritikern der mathematischen Geometrie tritt <strong>Platon</strong> mit seiner Lehre entschieden<br />

entgegen. Die Geometrie redet über ideale Objekte und diese idealen Objekte existieren! 32<br />

Und: In der Welt idealer Objekte berührt die Tangente den Kreis in nur einem Punkt.<br />

Dass die Gegenstände der <strong>Mathematik</strong> auf eine immaterielle Weise und unabhängig vom<br />

menschlichen Geist existieren, ist bis heute eine der gängigen Positionen zu den<br />

Grundlagen Fragen der <strong>Mathematik</strong>. Eine solche Position wird in Anlehnung an <strong>Platon</strong><br />

(mathematischer) <strong>Platon</strong>ismus genannt. 33<br />

<strong>Platon</strong> hat mit seiner Art der Deutung der <strong>Mathematik</strong> den antiken <strong>Mathematik</strong>ern eine<br />

philosophische Grundposition geschenkt, auf die sie sich bei Kontroversen zum Status<br />

ihrer Aussagen jederzeit und unter Berufung auf den hoch angesehenen <strong>Platon</strong><br />

zurückziehen konnten.<br />

29 Jaap Mansfeld: Die Vorsokratiker I. Stuttgart: Reclam 1999. S. 99.<br />

30 Dass die <strong>Platon</strong>ischen Körper nach <strong>Platon</strong> benannt wurden, war eine Ehrung, die nur das hohe Ansehen ausdrückt,<br />

das <strong>Platon</strong> bei <strong>Mathematik</strong>ern genoss. Einen Beitrag zur mathematischen Theorie der <strong>Platon</strong>ischen Körper hat<br />

<strong>Platon</strong> hingegen nicht geleistet. <strong>Platon</strong> erwähnt diese Figuren jedoch im Dialog Timaios. Ihre perfekte Symmetrie<br />

gefällt <strong>Platon</strong> so sehr, dass er ihnen eine wichtige Rolle in seinen sehr spekulativen (und sehr dunklen)<br />

naturphilosophischen Überlegungen zuweist.<br />

31 Vgl. hierzu z.B.: Wilhelm Capelle: Die Vorsokratiker. Stuttgart: Kröner Verlag 1968. S. 333f<br />

32 Vgl. hierzu auch den Dialog Euthydemos.<br />

33 Wenn ein moderner <strong>Mathematik</strong>er sich als <strong>Platon</strong>ist bekennt, dann meint er aber damit im Regelfall nicht mehr, als<br />

dass er an eine eigenständige Existenz mathematischer Objekte glaubt. Ein Bekenntnis zur viel weiter gehenden<br />

Ideenlehre ist damit nicht verbunden. (Ein Anhänger der Ideenlehre würde sich auch eher als <strong>Platon</strong>iker bekennen.)<br />

Ein mathematischer <strong>Platon</strong>ist glaubt z.B., dass es schon zum Zeitpunkt des Urknalls unendlich viele Primzahlen<br />

gab und dass diese nicht erst in die Welt kamen, als intelligente Wesen über Primzahlen nachzudenken begannen.<br />

Der mathematische <strong>Platon</strong>ismus liefert übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie antike Theorien unsere Geisteswelt<br />

bis heute prägen.<br />

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