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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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sichersten von Bürgerkrieg verschont, und umgekehrt steht es mit demjenigen<br />

Staat, der mit Leitern von entgegengesetzter Art geschlagen ist.<br />

GLAUKON: Ganz gewiß. (Der Staat; St. 519ff) 118<br />

Einige unserer heutigen Mitbürger zitieren das Höhlengleichnis immer wieder gern, um<br />

<strong>Platon</strong>s vorgeblich tiefe Einsichten in die Beschränktheit menschlichen Erkenntnisvermögens<br />

zu betonen. Um das Problem prinzipieller Grenzen menschlichen Wissens<br />

geht es aber in dem Gleichnis gar nicht. Es geht eher um die angebliche Borniertheit<br />

derjenigen, die sich der Ideenlehre verschließen und/oder den Aufstieg zur Idee des<br />

Guten nicht bewältigt haben.<br />

Auffällig ist auch, dass der platonische SOKRATES plötzlich alles Vorsichtige, alles Tentative<br />

in seinen Formulierungen vermissen lässt. Die Urteile sind bestimmt, der Tonfall ist klar<br />

belehrend. Fassen wir kurz zusammen, worum es dem platonischen SOKRATES wirklich geht<br />

und wofür er das Höhlengleichnis (sowie Sonnen- und Liniengleichnis) benutzt:<br />

● Die Ideenlehre soll im Idealstaat zur Staatsdoktrin erhoben werden.<br />

● Die talentiertesten und gebildetsten der Wächter sollen die Aufsicht über den Rest<br />

ihrer Mitbürger übernehmen.<br />

● Die Rekrutierung der Regenten soll durch Zwangsmaßnahmen erfolgen.<br />

● Das Parteiengezänk um die Macht soll (als Wurzel allen Übels?) abgeschafft<br />

werden.<br />

Warum man das Höhlengleichnis nicht unbedacht zitieren sollte<br />

Soll man das zustimmende Zitieren des Höhlengleichnisses so deuten, dass die<br />

entsprechenden Humanisten gern unter die Aufsicht jener ihrer Mitbürger gestellt werden<br />

wollen, die in den Fächern Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Harmonielehre und<br />

<strong>Philosophie</strong> gebildeter als sie selbst sind? Wollen sie durch Zwangsmaßnahmen zur<br />

Weitung ihres intellektuellen Horizonts gezwungen werden? Nun, zumindest ein paar extra<br />

Volkshochschul-Kurse speziell für <strong>Platon</strong> Freunde, so was ließe sich bestimmt einrichten.<br />

Nach meiner Lebenserfahrung würden z.B. Kurse zu folgenden Themen für viele <strong>Platon</strong><br />

Freunde etliches an Neuem bieten:<br />

● Die Bedeutung der Riemann Vermutung für die Zahlentheorie;<br />

● Euklidische und nicht-euklidische Geometrie aus der Sicht von Lie-Gruppen;<br />

● Probleme der modernen Kosmologie und Guths Konzept der Inflation;<br />

● Beweis der Undurchführbarkeit des pythagoreischen Programms zur Harmonielehre;<br />

● Der Einfluss Freges auf die Entwicklung der modernen Logik und Sprachphilosophie.<br />

<strong>Platon</strong>s geliebtes Bildungsprogramm (die vier pythagoreischen Mathemata plus<br />

<strong>Philosophie</strong>) wäre bei einem solchen (für <strong>Platon</strong> Freunde verpflichtenden?) Kursangebot<br />

übrigens voll berücksichtigt. Ich möchte allerdings keine Garantie dafür übernehmen<br />

müssen, dass danach der Aufstieg zur Idee des Guten gelingt. Aber immerhin wäre das<br />

Bildungsniveau einiger Humanisten gehoben worden.<br />

Der Tonfall ist etwas zu harsch? Nun, was schlägt uns denn der platonische SOKRATES rund<br />

ums Höhlengleichnis vor? Und warum zitieren so viele Humanisten dieses denn doch gar<br />

so gern? Ich für meinen Teil ziehe jedenfalls eine Welt des Parteiengezänks, in der sich<br />

auch Eliten um die Zustimmung durch die weniger gebildeten Bürger bemühen müssen,<br />

(statt einfach als Wächter ihrer Mitbürger eingesetzt zu werden) deutlich vor.<br />

Wenn das nächste Mal auf die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens<br />

abgehoben werden soll, dann sollte man vielleicht einfach besser Alberts Münchhausen<br />

Trilemma bemühen. Klingt auch sehr gebildet.<br />

118 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd V. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 276ff<br />

(Hervorhebungen im Text)<br />

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