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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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positives Ergebnis haben, Definitionsdialog knüpft daran an, dass es scheinbar jeweils<br />

um eine Definitionsfrage geht. Unter Bezug auf das Sokrates Bild in <strong>Platon</strong>s Dialogen gibt<br />

uns Monique Canto-Sperber folgende Erläuterung hierzu:<br />

So berühmt aber diese Bitte um eine Definition auch immer sein mag – sie<br />

wurde sogar bereits als „Was ist X?“-Frage bezeichnet –, sie bleibt trotz allem<br />

ziemlich unklar. Die Definition, um die Sokrates bittet, ist keine lexikalische<br />

Definition (welche die Synonyme eines Ausdrucks und die Bedingungen seines<br />

korrekten Gebrauchs angibt), sie ist auch keine kausale Definition, sondern<br />

eher eine Wesensdefinition, die ein reales Wesen aufzeigen soll, das über die<br />

gleiche Art von Sein verfügt wie die Einzelphänomene, denen es zugehört und<br />

die nach ihm benannt sind. Diese als eidos oder idea bezeichnete Eigenschaft<br />

ist höchstwahrscheinlich der Gegenstand jener „allgemeinen Definition“, als<br />

deren Erfinder Sokrates gilt, wie Aristoteles berichtet (Metaphysik). 63<br />

Das, was hier im Zitat Wesensdefinition genannt wird, liegt weit ab von dem, was man<br />

heutzutage in den Wissenschaften unter einer Definition versteht. 64 Das Konzept der<br />

Wesensdefinition zielt nicht einfach auf die Fixierung sprachlicher Konventionen, es wird<br />

vielmehr die Existenz einer vorgegebenen Entität angenommen, die erfasst werden soll.<br />

Wenn man z.B. Adjektive wie schön, gut, fromm substantiviert, dann bezeichnen diese<br />

Substantive (z.B. das Fromme) sicherlich keine Dinge der sinnlich erfahrbaren Welt, auf<br />

die man mit dem Finger zeigen könnte. Wenn nun von der Annahme ausgegangen wird,<br />

dass es ein Irgendetwas geben müsse, das durch diese substantivierten Adjektive<br />

bezeichnet wird, landet man bei immateriellen Entitäten (eidos oder idea). Die Aufgabe der<br />

Wesensdefinition ist es dann, die genaue Natur dieser Entitäten zu enthüllen. Auch abseits<br />

der Diskussion substantivierter Adjektive versprach man sich von der Enthüllung solch<br />

schwierig fassbarer Entitäten in etlichen Schulen der antiken griechischen <strong>Philosophie</strong><br />

große Erkenntnisgewinne (siehe z.B. auch die Wesensdefinitionen bei Aristoteles).<br />

In den hier herangezogenen Dialogen tritt das Abzielen auf eine (nicht aufgefundene)<br />

Wesensdefinition schon mit einiger Deutlichkeit hervor. Man kann dabei den Verdacht<br />

hegen, dass <strong>Platon</strong> schon sehr früh damit begonnen hat, Sokrates (mehr oder minder<br />

bewusst) eine größere Nähe zum Konzept der Wesensdefinition anzudichten, als dieser<br />

besaß. Das wird hier nicht weiter interessieren. Leser, die mit der Wesensdefinition bei<br />

Aristoteles vertraut sind, sollten die <strong>Platon</strong> Dialoge jedoch nicht zu sehr unter<br />

Heranziehung der aristotelischen Konzeption einer Wesensdefinition lesen. Es geht hier<br />

um einen Vorläufer dessen, was später bei Aristoteles eine Wesensdefinition ausmacht.<br />

Aber sicherlich richtig ist: Auch in den hier ausgewählten drei Dialogen strebt SOKRATES<br />

nach deutlich mehr als einer bloßen lexikalischen Definition, welche die Synonyme eines<br />

Ausdrucks und die Bedingungen seines korrekten Gebrauchs angibt. Er verfolgt die<br />

aufgeworfenen Was ist X?-Fragen, weil er an einer Grundlegung von Sittlichkeit und Moral<br />

interessiert ist. SOKRATES ist kein des <strong>Griechische</strong>n nur halbmächtiger, der darauf angewiesen<br />

ist, seine Mitbürger um Beistand durch Worterläuterungen (Definitionen) bitten zu<br />

können. Für SOKRATES sind Was ist X?-Fragen Mittel der <strong>Philosophie</strong>.<br />

Zur weitergehenden Erläuterung der Struktur der aporetischen Definitionsdialoge zieht<br />

man am besten ein Beispiel heran. Der <strong>Platon</strong> Dialog Euthyphron ist recht kurz und hat<br />

eine gut überschaubare Struktur. Er eignet sich, um aufzuzeigen, aus welchen Ansätzen<br />

heraus sich der spätere platonische SOKRATES entwickelt hat. Der Dialog Euthyphron<br />

gliedert sich in 20 Kapitel (Abschnitte). Bis zu Kapitel zwölf wird der Dialog relativ eng<br />

verfolgt. Den Rest des Dialogs kann man dann sehr knapp zusammen fassen. Ich mache<br />

von dieser Möglichkeit Gebrauch.<br />

63 Monique Canto-Sperber: Sokrates. In: Das Wissen der Griechen. Wilhelm Fink Verlag: München 2000. S. 693<br />

64 Zum Thema moderne Definitionstheorie sei Wilhelm K. Essler: Wissenschaftstheorie I - Definition und Reduktion,<br />

Alber: München 1982 empfohlen.<br />

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