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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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alles übrige verrichte. Und so scheint, alles kurz zusammengefaßt, deine Frage<br />

dahin beantwortet werden zu müssen, die Besonnenheit sei eine gewisse<br />

Bedächtigkeit. (Charmides; St. 158 – 159) 72<br />

Interessant an dieser Stelle ist, mit welcher Selbstverständlichkeit SOKRATES unterstellt,<br />

dass es ein Wesen der Besonnenheit gibt und und dass jemand, der Griechisch spricht<br />

(und sich selbst besonnen nennt) auch angeben können sollte, worin Besonnenheit<br />

besteht.<br />

SOKRATES lehnt in der Folge den Vorschlag Besonnenheit als Form von Bedächtigkeit<br />

aufzufassen ab. Er verweist (unter anderem) darauf, dass es Formen der Besonnenheit<br />

gibt, bei denen Bedächtigkeit keine Rolle spielt. 73<br />

Nach diesem gescheiterten Versuch, schlagen sowohl CHARMIDES wie KRITIAS weitere<br />

Charakterisierungen von Besonnenheit vor. KRITIAS findet dann schließlich eine<br />

Charakterisierung von Besonnenheit, die bei SOKRATES auf größeres Interesse stößt.<br />

Weitab vom üblichen Sprachgebrauch charakterisiert KRITIAS Besonnenheit als Erkennen<br />

seiner selbst und radikaler noch: als das Wissen um Wissen und Nichtwissen.<br />

Mein Urteil, sagte er (Kritias; NF), ist folgendes: sie (die Besonnenheit; NF) ist<br />

im Unterschied von allen anderen Arten des Wissens diejenige Art, welche<br />

sowohl über sich selbst wie über die anderen Wissensfächer Bescheid weiß.<br />

Wird sie nicht auch, fuhr ich fort, das Wissen der Unwissenheit sein, wenn<br />

anders sie das Wissen ist.<br />

Allerdings sagte er. (Charmides; St. 166) 74<br />

Auch diese Form der Definition wird am Ende des Dialogs verworfen. Der Gedankengang,<br />

der hierzu führt, ist allerdings verschlungen. Nach von SOKRATES forcierten, allgemeinen<br />

Erörterungen zum Thema Wissen und das Gute wird von SOKRATES festgestellt, dass der<br />

Definitionsvorschlag kein rechtes Verständnis des Nutzens der Besonnenheit ermöglicht<br />

und deswegen nicht akzeptiert werden kann.<br />

Siehst du nun, mein Kritias, daß meine schon längst vorhandene Furcht<br />

wohlbegründet war und daß ich mich mit Recht beschuldigte, meine<br />

Betrachtung über die Besonnenheit sei unfruchtbar? Denn schwerlich hätte<br />

sich uns dasjenige, was anerkanntermaßen das Allerherrlichste ist (die<br />

Besonnenheit; NF), als unnütz herausgestellt, wenn ich irgendwie tauglich<br />

wäre für eine fruchtbare Untersuchung. (Charmides; St. 175) 75<br />

Sehr salopp formuliert lautet das Ergebnis des Dialogs: Weil ohne Kenntnis des Guten<br />

alles andere nutzlos ist und der Definitionsvorschlag zur Besonnenheit darauf keinen<br />

Bezug nimmt, kann die so definierte Besonnenheit auch nicht nützlich sein. Da aber die<br />

Nützlichkeit der Besonnenheit allgemein akzeptiert ist, kann auch der zuletzt untersuchte<br />

Definitionsvorschlag nicht akzeptiert werden.<br />

Ergänzung zum sprachphilosophischen Einwand: Es gibt in der <strong>Platon</strong> Literatur den Begriff<br />

des sokratischen Trugschlusses. Damit ist ein Argument verbunden, dass dem hier<br />

vorgetragenen Einwand sehr ähnlich ist. Der Vorwurf: SOKRATES unterstellt fälschlich, dass<br />

ohne klärende Definition eine sinnvolle Verwendung eines Begriffs nicht möglich sei. Das<br />

kommt sachlich den hier formulierten sprachphilosophischen Einwendungen gegen die<br />

Methode der aporetischen Definitionsdialoge sehr nahe. Fast könnte man sagen: Das<br />

jeweils gleiche Argument wird unter nur leicht verschiedenen Blickwinkeln vorgetragen.<br />

72 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd III. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 27f<br />

73 Das ist eine sehr verkürzte Wiedergabe der Einwände des SOKRATES, aber sein etwas verwickeltes Argumentieren,<br />

bei dem er einen Umweg über das Schöne macht, interessiert im Augenblick nicht.<br />

74 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd III. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 42<br />

75 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd III. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 57<br />

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