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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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Schon während wir noch in unserer Unterredung waren, hatte Thrasymachos<br />

wiederholt Anstalt gemacht zu Worte zu kommen, war aber von den<br />

Nebensitzenden daran gehindert worden. Denn sie wollten sich in dem<br />

Anhören des Gesprächs nicht stören lassen. Als wir, nach meinen letzten<br />

Worten, eine Pause machten, hielt er nicht länger an sich, sondern krümmte<br />

zum Sprung zusammen wie ein wildes Tier und stürzte sich auf uns wie eine<br />

Beute. Ich und Polemarchos, wir waren wie betäubt vor Schreck. Er aber rief<br />

mitten unter uns hinein: „Was für ein elendes Geschwätz, Sokrates, ist es, an<br />

das ihr euch nun so lange verloren gebt! (...)“(Der Staat; St. 336) 104<br />

Im folgenden zeigt sich THRASYMACHOS als eine Person von geradezu erschreckender<br />

Amoralität, die aber (wen wundert es?) von SOKRATES spielend leicht in die Schranken<br />

verwiesen wird.<br />

Kommen wir zum Hauptthema zurück: Der oben schon angesprochene Übergang von der<br />

Frage Was ist Gerechtigkeit? zur Frage nach dem gerechten (idealen) Staat ist aus<br />

moderner Sicht nicht ganz so naheliegend, wie es <strong>Platon</strong> erscheinen lassen will.<br />

Bevor das Wesen der Gerechtigkeit bestimmt wird, weist Sokrates darauf hin,<br />

daß man von Gerechtigkeit nicht nur beim Menschen redet, sondern auch<br />

beim Staat; im Falle des Staates, meint er, ließe sich aber leichter erkennen,<br />

worin sie besteht (368e). Für die Griechen gab es keine scharfe Grenze<br />

zwischen Ethik und Politik, moralisches Verhalten war für sie richtiges<br />

Verhalten in der Gemeinschaft der Polis, und nur in guten sozialen<br />

Verhältnissen konnte sich nach ihrem Verständnis Tugend entfalten. Das<br />

Thema Gerechtigkeit wird aber dann vom Thema des idealen Staates<br />

weitgehend verdrängt. Ginge es um Gerechtigkeit im Fall des einzelnen<br />

Menschen, so hätte man deren Wesen, so wie <strong>Platon</strong> es sieht, leicht ohne den<br />

langen Umweg über die Organisation des Staates bestimmen können. Zudem<br />

reden wir ja in einem anderen Sinn von Gerechtigkeit beim Verhalten<br />

einzelner als von der Gerechtigkeit von Gesetzen, der Verteilung von Gütern<br />

und Lasten oder der Machtverteilung. <strong>Platon</strong> geht aber offensichtlich von dem<br />

Prinzip aus unum nomen, unum denominatum – jedes Wort steht in all seinen<br />

Verwendungen für ein und dieselbe Sache. 105<br />

Der platonische SOKRATES sieht im idealen Staat nicht etwa eine Institution, die auf einen<br />

(wie auch immer näher charakterisierten) fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden<br />

Interessen seiner Bürger zielt, sondern Ziel des idealen Staates ist das Gemeinwohl.<br />

Allerdings ist auffällig, dass <strong>Platon</strong> keinen Anlass sieht, das Wesen des Gemeinwohls<br />

erörtern zu lassen. An diesem Thema hat er ein erstaunlich geringes Interesse.<br />

Wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhält dafür der Punkt, dass dieser ideale Staat (der ja<br />

angeblich einem nicht näher bestimmten Gemeinwohl dienen soll) auf jeden Fall vor<br />

innerer wie äußerer Bedrohung geschützt werden muss. 106<br />

Der ideale Staat (Kallipolis), wie ihn SOKRATES entwickelt, ist in Stände gegliedert. Diese<br />

ständische Organisation ist zwar nicht gänzlich undurchlässig, aber trotzdem die klar<br />

dominierende Sozialstruktur des idealen Staates. Es werden zunächst zwei Stände<br />

unterschieden:<br />

● Der Stand der Produzierenden und Gewerbetreibenden (Bauern, Handwerker, etc.)<br />

● Die Wächter<br />

Man begeht keinen erheblichen Fehler, wenn man die Wächter als Kriegerkaste auffasst,<br />

die sowohl für die innere wie äußere Sicherheit des idealen Staates zuständig ist. Sie sind<br />

die einzigen Waffenträger des Idealstaats. Dabei wird Frauen im Rahmen dieser<br />

Kriegerkaste eine durchaus größere Teilnahme am öffentlichen Leben zugebilligt, als dies<br />

104 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd V. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S.16<br />

105 F. v. Kutschera: <strong>Platon</strong>s <strong>Philosophie</strong> Bd 2. Paderborn: Mentis Verlag 2002. S. 74f (Hervorhebungen im Text)<br />

106 Jedem, der etwas mit der Ideengeschichte politischer Theorien vertraut ist, wird unmittelbar auffallen, dass <strong>Platon</strong><br />

hier ein Muster vorführt, das auch in vielen späteren Formen autoritärer Staatstheorien wieder auftaucht.<br />

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