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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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Verständnis von den die Inflation verursachenden Vorgängen habe und treffe Entscheidungen<br />

stets auch ein bisschen intuitiv.<br />

Treffsicherheit in wahrer Meinung kann man also als das Talent auffassen Situationen,<br />

Dinge, Probleme, Sachverhalte richtig einzuschätzen bzw. die richtigen Entscheidungen<br />

zu treffen, ohne dafür auf (ausreichendes) explizites Wissen zurückgreifen zu können.<br />

Man besitzt dann die einschlägigen Kompetenzen nur in Form einer intuitiven Kompetenz,<br />

wie wir heute sagen. Dieses Talent ist in der Tat nicht (oder nur sehr eingeschränkt)<br />

lehrbar. Wenn man in der Sprechweise von SOKRATES dies Treffsicherheit in wahrer<br />

Meinung nennt und mit Tugend identifiziert, dann wird verständlich, warum es keine Lehrer<br />

der Tugend gibt.<br />

Die Treffsicherheit in wahrer Meinung wird von SOKRATES zum göttlichen Geschenk erklärt<br />

und Politiker wie Themistokles werden ausdrücklich mit Wahrsagern und Sehern auf eine<br />

Stufe gestellt. Kurz darauf geht SOKRATES und lässt MENON bei dessen Gastfreund ANYTOS<br />

zurück. Der Dialog Menon ist zu Ende.<br />

Die am Ende des Dialogs Menon eingeführte Unterscheidung zwischen wahrer Meinung<br />

und Wissen war für die damalige <strong>Philosophie</strong> neu.<br />

Aber sie ist (wahrscheinlich) nicht ohne Vorbild in der antiken Geisteskultur. Die Unterscheidung<br />

zwischen wahrer Meinung und Wissen lässt an den in der antiken <strong>Mathematik</strong><br />

wohlbekannten Unterschied zwischen einer zutreffenden Vermutung und einem<br />

bewiesenem Satz denken: Demokrit vermutete, dass das Volumen des Kegels 1/3 des<br />

Volumens des umschreibenden Zylinders hat; aber erst Eudoxos hat dies bewiesen.<br />

Diese kleine Episode aus der antiken <strong>Mathematik</strong> sollte <strong>Platon</strong> bekannt gewesen sein. 99<br />

Es wird wahrscheinlich nicht einmal das älteste Beispiel für die antike Unterscheidung<br />

zwischen zutreffender Vermutung und bewiesenem Satz sein. Es ist nur (zumindest nach<br />

meinem Kenntnisstand) der älteste gut dokumentierte Fall, in dem eine zutreffende<br />

Vermutung zunächst tradiert und dann später bewiesen wurde. Noch Archimedes besteht<br />

darauf, dass man nicht nur Eudoxos für dessen Beweis, sondern auch Demokrit für seine<br />

zutreffende Vermutung loben müsse. 100 In der Sprechweise <strong>Platon</strong>s hätte Demokrit nur<br />

eine wahre Meinung, Eudoxos aber Wissen gehabt. Hat <strong>Platon</strong> auch in diesem Punkt<br />

seine Vertrautheit mit der <strong>Mathematik</strong> genutzt, um mathematische Denkkultur in Richtung<br />

philosophischer Konzepte zu verallgemeinern? Man kann dies zumindest gut vermuten.<br />

Vielleicht ist das sogar eine zutreffende Vermutung und damit wahre Meinung. Auf<br />

gesichertes Wissen zu dieser Frage zu hoffen, könnte jedoch etwas illusionär sein.<br />

Noch eine Bemerkung zum Abschluss unserer Beschäftigung mit dem Dialog Menon:<br />

Der Leser wird vielleicht annehmen, dass ich mir mit Menon absichtlich einen Dialog mit<br />

dramatischen Mängeln in puncto klarer Argumentation herausgesucht habe. Dem ist nicht<br />

so. (Das Fehlen überzeugender Argumente hätte sich am Beispiel Das Gastmahl viel<br />

besser demonstrieren lassen.) <strong>Platon</strong> zeigt sich in seinen Dialogen einfach nicht als<br />

Meister des stringenten Argumentierens. Was an <strong>Platon</strong> aber beeindruckend ist, ist die<br />

ungeheure Fülle neuer Ideen und Konzepte, die er in die <strong>Philosophie</strong> eingeführt hat.<br />

Ein großer Teil der Wertschätzung, die <strong>Platon</strong>s Dialoge genießen, ist allerdings sowieso<br />

von deren inhaltlicher Substanz fast unabhängig. Sie gilt den literarischen Qualitäten. Die<br />

literarischen Qualitäten der <strong>Platon</strong> Dialoge können hier naturgemäß kaum zum Vorschein<br />

kommen. 101<br />

99 Ob <strong>Platon</strong> sie beim Abfassen des Dialogs Menon schon kennen konnte, ist aber aus verschiedenen Gründen unklar.<br />

100 Brief von Archimedes an Eratosthenes. Das Tradieren intelligenter Vermutungen gehört übrigens bis heute zum<br />

Geschäft der <strong>Mathematik</strong>. Seit Generationen wird in Vorlesungen rund um den Globus die Riemann Vermutung<br />

gelehrt. Bewiesen ist sie bis heute nicht. Leider!<br />

101 Ich ziehe in ästhetischer Hinsicht aber eh die etwas düstere Lyrik eines Jim Morrison (Doors) vor.<br />

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