Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike
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der auf Grund seines Aufstiegs zur Welt der Ideen zum Herrschen prädestiniert ist und<br />
gegenüber seinen weniger einsichtsvollen Untertanen über praktisch unbeschränkte<br />
Macht verfügt.<br />
Diese Ideenlehre ist die ursprüngliche Keimzelle der ganzen Tradition idealistischer<br />
<strong>Philosophie</strong>.<br />
Die bereits in dieser kurzen Zusammenfassung deutlich werdende dunkle Seite der<br />
Ideenlehre wurde in der NS-Zeit von höchst gebildeten Humanisten 4 zur philosophischen<br />
Untermauerung des Führergedankens genutzt. 5 Heutzutage wird sie gerne klein geredet.<br />
Poppers Studie bezüglich <strong>Platon</strong>s Neigung zum Totalitarismus 6 wird meist ignoriert oder<br />
etwas arg schnell als völlig verfehlte Interpretation oder gar einfach als Unsinn abgetan.<br />
Bei der Diskussion delikater Passagen nimmt man stattdessen gerne zur Behauptung<br />
Zuflucht, <strong>Platon</strong> könne dies nicht ernst gemeint haben. Es beschleicht einen schon der<br />
Verdacht, dass sich hier einige einfach das Vergnügen an der <strong>Platon</strong> Lektüre nicht<br />
verderben lassen wollen und sich deswegen jede Erinnerung an <strong>Platon</strong>s Propaganda für<br />
höchst autoritäre bis totalitäre Staatsmodelle verbitten.<br />
Aber das bereits bei <strong>Platon</strong> auftauchende Problem des Idealismus, nämlich die Frage, ob<br />
die Sehnsucht nach einer im Absoluten fundierten Ethik – und dann bei späteren<br />
Idealisten die Sehnsucht nach einer ähnlich absoluten philosophischen Sinnstiftung – nicht<br />
auch ihre gefährlichen Seiten hat, ist ernst zu nehmen. Es gab wohl schon immer radikal<br />
egoistisches Verhalten und wird es, soweit absehbar, auch weiterhin geben. Es gab, und<br />
wird wohl weiterhin geben, Denker, die dies als ganz natürlich rechtfertigen. Viele von<br />
<strong>Platon</strong>s Schriften lassen sich gut so verstehen, dass er egoistischem und unsittlichem<br />
Verhalten durch eine im Absoluten begründete Ethik entgegen treten wollte. Dies entgleitet<br />
aber schnell zu einer Rechtfertigung autoritärer bis totalitärer Herrschaftssysteme. Einige<br />
wenige sollen über priviligiertes, einer öffentlichen Nachprüfung und kritischer Diskussion<br />
entzogenes Wissen verfügen, das sie zum Herrschen prädestiniert. Gebildete<br />
Humanisten, die sich in diese Denkfigur eingewöhnt haben, verlieren offensichtlich schnell<br />
das Gefühl für politischen Anstand, wenn sie mit totalitären Systemen konfrontiert werden.<br />
Das in Deutschland wohl berühmteste Beispiel hierfür ist Heidegger. Er hat als Vorzeigehumanist<br />
ein Jahr lang das gebildete Aushängeschild der Nazis gegeben.<br />
Selbst der Anspruch des Marxismus-Leninismus auf privilegiertes Wissen hat wichtige<br />
Wurzeln in dieser idealistischen Tradition (siehe die marxistische Hegel-Rezeption). Der<br />
marxistisch-leninistische Glaube, dass der Lauf der Geschichte objektiven Gesetzen folgt,<br />
ist dabei einer offenen Gesellschaft natürlich genauso wenig förderlich, wie der Glaube an<br />
eine absolute philosophische Sinnstiftung. Die Barbareien des Stalinismus sind eng mit<br />
einer Denktradition verbunden, die mit der Idee der angeblich historisch unvermeidbaren<br />
Diktatur des Proletariats begann, diesen Gedanken zur Diktatur der Avantgarde eskalierte<br />
und damit dann ganz selbstverständlich die Diktatur der Partei rechtfertigte. Am Ende<br />
hatte man die Diktatur eines Generalsekretärs aus Georgien.<br />
Aber zurück zum klassischen Idealismus: Die Frage, ob die Sehnsucht nach dem<br />
Absoluten, nach absoluten Werten, einem absoluten Sinn, nicht auch stets in Gefahr steht,<br />
Staatsmodelle zu propagieren, bei denen dann am Schluss der Teufel des ungezügelten<br />
Egoismus (oder ähnliche Übel) mit dem Beelzebub des Totalitarismus ausgetrieben wird,<br />
scheint mir sehr berechtigt. Deswegen wird der Darstellung der dunklen Seite <strong>Platon</strong>s in<br />
diesem Einführungspapier auch einiger Raum gewidmet. Aber dies ändert natürlich nicht<br />
das Geringste an der ideengeschichtlichen Bedeutung <strong>Platon</strong>s.<br />
4 Humanist wird hier im Sinne Kenner der alten Sprachen, Inhaber einer humanistischen (Schul-) Bildung gebraucht.<br />
5 vgl. z.B.: Wilhelm Nestle: Der Führergedanke in der platonischen und aristotelischen Staatslehre. in: Das<br />
Gymnasium, 1937, S. 53ff<br />
6 Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bd 1. Der Zauber <strong>Platon</strong>s<br />
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