Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike
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Das reglementierte und manipulierte Leben der Wächter<br />
In <strong>Platon</strong>s Politeia klingt an vielen Stellen die Sehnsucht nach einer allumfassenden<br />
Harmonie durch. Eine Harmonie, die Stabilität gewähren soll. Als Hauptbedrohung einer<br />
solchen stabilen Harmonie werden ganz offensichtlich die konkurrierenden Interessen der<br />
einzelnen Bürger bzw. der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wahrgenommen.<br />
Diese sollen schlichtweg abgeschafft und/oder verleugnet werden.<br />
So fällt auf, dass in dem gerechten Staat <strong>Platon</strong>s alle Konflikte beseitigt sind.<br />
Seine Bürger handeln und denken im völligen Einklang mit den Erfordernissen<br />
des Gemeinwohls. Diesem widerstrebende Intentionen kommen nicht vor,<br />
Spannungen zwischen Einzel- und Allgemeininteresse oder auch zwischen<br />
einzelnen gesellschaftlichen Gruppen gibt es nicht. 134<br />
Besonders radikal und gründlich plant <strong>Platon</strong> die Ausrottung der Einzelinteressen und die<br />
Prägung auf das (nirgends näher bestimmte) Gemeinwohl für die Mitglieder der<br />
Kriegerkaste (Wächter). 135 Wenn es um die Wächter geht, dann werden sogar schwerste<br />
Eingriffe in die Privatsphäre für angemessen gehalten. Vielleicht sollte man sogar<br />
deutlicher formulieren: Es geht hier eigentlich um die Abschaffung der Privatsphäre. Ziel<br />
des Projekts: Die Erschaffung idealer Wächter (Krieger); und dies beginnt bereits sehr früh<br />
in der Kindheit. Greifen wir ein paar Punkte aus den einschlägigen Erörterungen in den<br />
Büchern 2 – 5 des Staates heraus:<br />
● Die Märchen, mit denen die jungen Mitglieder der Kriegerkaste (die angehenden<br />
Wächter) aufwachsen sollen, werden staatlicher Aufsicht unterstellt.<br />
SOKRATES: Unser Erstes also, scheint es, muß es sein, die Märchendichter zu<br />
beaufsichtigen und ihre wohlgelungenen Erzeugnisse anzunehmen, die<br />
mißlungenen aber abzuweisen. Die ersteren sollen dann Ammen und Mütter<br />
den Kindern auf unsere Veranlassung hin erzählen und ihre Seelen weit<br />
eindringlicher durch die Märchen, als ihre Leiber durch die Hände bilden. Den<br />
jetzt geläufigen Märchen aber muß man zum größten Teil den Abschied geben.<br />
(Der Staat; St. 377) 136<br />
Nachfolgend wird ein Großteil des griechischen Kulturgutes von SOKRATES gesichtet und<br />
bewertet. Homer und Hesiod finden vor seinen Augen keine Gnade. Über sie wird ein<br />
entsprechendes (Märchen-)Erzählverbot verhängt. Teile der von Hesiod geschilderten<br />
griechischen Mythologie dürfen in Zukunft selbst unter Erwachsenen nicht mehr beliebig<br />
verbreitet werden. Nur noch wenige sollen die besonders beanstandeten Stellen im Notfall<br />
erfahren dürfen und auch dies nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit.<br />
● Zur Steigerung des Mutes der Wächter soll eine neue Dichtung das mythologische<br />
Totenreich, den Hades, in besserem Licht als bisher erscheinen lassen. Schließlich<br />
sollen die angehenden Wächter den Staat ja später todesmutig verteidigen und<br />
dürfen deswegen den Tod nicht fürchten.<br />
SOKRATES: Es scheint also, wir müssen auch hinsichtlich dieser Geschichten<br />
diejenigen, die es unternehmen sie darzustellen, überwachen und sie bitten<br />
nicht so schlechtweg den Hades zu verunglimpfen, sondern ihn vielmehr zu<br />
loben, da ihre Reden weder wahr sind noch zuträglich für solche, die streitbare<br />
Männer werden sollen. (Der Staat; St. 386) 137<br />
Im Anschluss wird aus denselben Gründen die griechische Mythologie bereinigt.<br />
Erschreckende Namen von mythologischen Gestalten sollen gestrichen werden. Selbst<br />
öffentliches Trauern um Verstorbene soll ohne großes Wehklagen erfolgen. Die angehen-<br />
134 U. Neumann: <strong>Platon</strong>. Hamburg: Rowohlt 2006. S. 106<br />
135 Wenn im folgenden von Wächtern die Rede ist, so sind damit stets einfach Mitglieder der Kriegerkaste gemeint. Es<br />
geht hier also nicht speziell um Wächter im engeren Sinn, die Regenten.<br />
136 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd V. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 77<br />
137 <strong>Platon</strong>: Sämtliche Dialoge. Bd V. Übersetzt von Otto Apelt. Hamburg: Meiner Verlag 1988. S. 87<br />
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