Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike
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Kallipolis kennt keinen massiven Repressionsapparat<br />
Der platonische SOKRATES geht in Der Staat offensichtlich davon aus, dass die Manipulation<br />
der Bürger derart perfekt funktioniert, dass auf massive Maßnahmen zur Bekämpfung des<br />
Widerstands gegen diese vorgeblich ideale Staatsordnung verzichtet werden kann. Es gibt<br />
zwar Richter, die unbotmäßiges Verhalten bestrafen können, aber die Frage, wie welches<br />
Fehlverhalten bestraft werden soll, wird nicht vertieft. Entsprechend wird auch der Frage<br />
eines Überwachungsapparats keine Aufmerksamkeit gewidmet. Der platonische SOKRATES<br />
unterstellt, dass die Bürger gerne in Kallipolis leben.<br />
Einige Autoren versuchen, aus dem Fehlen ausgiebiger Schilderungen eines Überwachungs-<br />
und Repressionsapparats in Politeia nun ein Argument gegen Poppers<br />
Totalitarismus Vorwurf zu zimmern. Mich vermögen solche Einwände nicht zu<br />
überzeugen. Zum einen läßt man es bei der visionären Vorstellung einer Utopie doch<br />
gerne unter den Tisch fallen, was passieren wird, wenn sich nicht alle Bürger von der<br />
neuen Staatsform begeistert zeigen, zum anderen stimmt der platonische SOKRATES in Der<br />
Staatsmann einem mit größter Machtvollkommenheit ausgestatteten Herrscher zu. <strong>Platon</strong><br />
eine prinzipielle Zögerlichkeit beim Einsatz von Staatsgewalt unterstellen zu wollen, wäre<br />
folglich nun doch etwas daneben.<br />
Bei dieser Gelegenheit soll gleich auf noch zwei Einwände gegen Poppers Totalitarismus<br />
Vorwurf eingegangen werden:<br />
● <strong>Platon</strong> beschreibt nirgends die für modernen Totalitarismus so typischen<br />
Massenorganisationen;<br />
● <strong>Platon</strong> kennt keinen propagandistischen Einsatz von Massenmedien.<br />
Beide Punkte sind sachlich richtig. <strong>Platon</strong> war einem politischen Denken verhaftet, das die<br />
damalige Polis, den griechischen Stadtstaat, ganz in den Mittelpunkt politischer Utopien<br />
stellt. Massenorganisationen passen da einfach nicht so recht. Massenmedien in Form<br />
von Printmedien oder deren elektronische Konkurrenten kannte <strong>Platon</strong> natürlich noch nicht<br />
und konnte sie deswegen nicht einplanen.<br />
Wenn man nun mit Bezug auf moderne totalitäre Systeme die beiden Merkmale Aufbau<br />
von Massenorganisationen und propagandistischer Einsatz von Massenmedien zum<br />
unerlässlichen Charakteristikum eines totalitären Systems erklärt, dann kann man zwar<br />
verhindern, dass <strong>Platon</strong> als Propagandist totalitärer Staatsordnungen eingestuft wird, aber<br />
das ändert nichts daran, dass <strong>Platon</strong> dem Konzept des Totalitarismus so nahe kam, wie<br />
es einem antiken Denker auch nur möglich war. Man kann sich aber natürlich durch eine<br />
geschickte Definition des Begriffs totalitäres System davor schützen, dass man das<br />
deutlich aussprechen muss, was sachlich der Fall ist: <strong>Platon</strong> ist ein Wegbereiter totalitären<br />
Denkens.<br />
Zudem: Hier (in diesem Papier) geht es genau genommen primär um Poppers Vorwurf<br />
eines Modells totalitärer Gerechtigkeit und da greifen die zwei letztgenannten Einwände<br />
sowieso nicht.<br />
<strong>Platon</strong>s Vision eines Idealstaates entspricht keineswegs dem allgemeinen Zeitgeist der<br />
griechischen <strong>Antike</strong>. Gerade <strong>Platon</strong>s Heimat, die Polis Attika, war weit von derartigen<br />
Horror-Visionen entfernt. Zwar war die griechische <strong>Antike</strong> eine Sklaven haltende<br />
Gesellschaft und Kindstötung als Mittel der Familienplanung war nicht ungebräuchlich,<br />
aber <strong>Platon</strong>s Kallipolis geht nun doch weit darüber hinaus. Ist Kallipolis das Ideal, mit dem<br />
<strong>Platon</strong> der von ihm beklagten allgemeinen Verderbtheit der Sitten entgegentreten will?<br />
Bei allen durchaus großen und sehr bedenklichen Schwächen der attischen Demokratie ist<br />
<strong>Platon</strong>s Vision doch eher ein Grund zum Erschrecken als eine Hoffnung auf Erlösung.<br />
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