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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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Der SKLAVE findet im dritten Anlauf die Lösung. Die beiden ersten Anläufe gehen fehl und<br />

mit Hilfe von SOKRATES sieht der SKLAVE seine Fehler auch jeweils schnell ein. An MENON<br />

gerichtet kommentiert SOKRATES, dies jeweils als zunehmende Einsicht in das Nicht-<br />

Wissen: Eine wichtige Vorstufe zu echter Erkenntnis. (Hier verbeugt sich der Autor <strong>Platon</strong><br />

noch einmal deutlich vor seinem Lehrer, dem historischen Sokrates, dessen Erkenntnis<br />

aus dem berühmten Ich weiß, dass ich nicht weiß bestand.)<br />

Diese im Menon enthaltene Passage (inkl. der Dialogsequenz mit dem SKLAVEN) ist sehr<br />

wahrscheinlich die älteste Textstelle, in der der platonische SOKRATES Wissen als Erinnern<br />

deutet. Wohl von hier aus findet die These ihren Eingang in die Ideenlehre.<br />

MENON zeigt sich nach dieser Vorführung beeindruckt. Nach nochmaliger Versicherung,<br />

dass der SKLAVE keinerlei geometrische Erziehung oder Ausbildung genossen hat, kommt<br />

es zu folgendem Resümee:<br />

SOKRATES: Wenn nun die Wahrheit über das Sein der Dinge unserer Seele jederzeit<br />

innewohnt, muß dann die Seele nicht unsterblich sein? Also voll froher Zuversicht<br />

mußt du den Versuch machen, dem, was du jetzt zufällig nicht weißt, mit anderen<br />

Worten, woran du dich nicht erinnerst, nachzuforschen und die Erinnerung daran<br />

aufzufrischen.<br />

MENON: Sonderbar, mein Sokrates, aber es kommt mir vor, als ob du recht hättest.<br />

SOKRATES: Auch mir, mein Menon. Und im übrigen möchte ich für das Gesagte nicht<br />

in vollem Nachdruck einstehen. (...)<br />

Es sind drei, für <strong>Platon</strong> nicht gerade untypische Merkmale an dieser Passage<br />

hervorzuheben:<br />

● SOKRATES versieht seine Behauptungen am Schluss mit einem Vorbehalt. Er will<br />

nicht mit vollen Nachdruck für das Gesagte einstehen.<br />

● Zur Stützung zentraler Thesen der Ideenlehre wird auf Beispiele aus dem Umfeld<br />

der <strong>Mathematik</strong> zurückgegriffen.<br />

● Die tatsächlich im Dialog enthaltene argumentative Substanz ist minimal. (Die<br />

Aufgabe sich zu überlegen, auf welche Weise das menschliche Talent zur Einsicht<br />

in mathematische Sachverhalte als Argument für die These Wissen = Erinnern<br />

benutzt werden kann, delegiert <strong>Platon</strong> einfach an den verständigen Leser. <strong>Platon</strong><br />

liefert mit der Erfindung eines gelehrigen Sklaven nur einen Anlass und Anreiz für<br />

solche Überlegungen.)<br />

Der letztgenannte Punkt verdient einige zusätzliche Anmerkungen. Wenn man versucht,<br />

Passagen aus <strong>Platon</strong>s Dialogen in die Form eines <strong>Platon</strong>s Argumente systematisch<br />

entfaltenden Traktats zu bringen, stellt man häufig fest, dass man (zunächst) sehr wenig in<br />

der Hand hat. Aber man hat es doch mit dem göttlichen <strong>Platon</strong> (Stephen Clark) zu tun.<br />

Ganz so platt wie es dasteht kann es doch wohl nicht gemeint sein. Um sich nicht als<br />

schlicht dumm und/oder für die tiefsinnigen Gedanken <strong>Platon</strong>s unempfänglich zu outen,<br />

beginnt man also sich zu überlegen, welche tiefsinnigen Gedanken beim Abfassen der<br />

betreffenden Stellen <strong>Platon</strong> im Hinterkopf gehabt haben könnte. Man versteht Dialogpassagen<br />

als Stellvertreter für höchst subtile und tiefsinnige Überlegungen, (er-)findet<br />

neue, tiefer liegende Bedeutungsschichten des Dialogs und zieht letztlich auch andere<br />

Stellen aus anderen Dialogen hinzu. Das Spiel der <strong>Platon</strong> Exegese hat begonnen.<br />

Die Berge an <strong>Platon</strong> exegetischer Literatur sind nicht vorwiegend deswegen entstanden,<br />

weil <strong>Platon</strong> in knappster Form zwingende Argumente entwickelt, die man dann für<br />

Normalbegabte erst einmal ausführlich erläutern und kommentieren muss, sondern im<br />

Gegenteil, weil es <strong>Platon</strong> so häufig an eindeutigen und klaren Argumenten fehlen lässt, ist<br />

<strong>Platon</strong> so interpretations-bedürftig und für die aller verschiedensten Interpretationen<br />

zugänglich. <strong>Platon</strong> Exegese gleicht in vielerlei Hinsicht mehr der Deutung eines Stücks<br />

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