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Antike Philosophie: Platon - Mathematik ... - Griechische Antike

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Warum es unangemessen ist, eine Definierbarkeit aller physikalischer Begriffe zu<br />

verlangen und wieso man besser auch nicht auf anschaulicher Vorstellbarkeit besteht, hat<br />

der geniale Physiker Richard Feynman (1918 - 1988) in einer Vorlesung mit dem Titel<br />

Was ist Energie? gezeigt. 79<br />

Die ganze Vorlesung ist, Feynman like, auf ein Aperçu hin angelegt:<br />

Mit der Energie verhält es sich genau so, wie mit absolut unzerstörbaren<br />

Bauklötzchen, man muss sich die Bauklötzchen dabei nur wegdenken.<br />

Feynman ruft in der Vorlesung die verschiedenen Möglichkeiten in Erinnerung, die in der<br />

Physik zur Verfügung stehen, um die Anwesenheit unzerstörbarer Bauklötzchen auch<br />

dann nachzuweisen, wenn man sie nicht sehen kann. Das ist die zentrale Analogie zur<br />

Energie. Wir berechnen die vorhandene Energie über formelmäßige Gesetzmäßigkeiten.<br />

Und mehr brauchen wir auch nicht. Das ist damit gemeint, wenn Feynman am Schluss<br />

seiner Vorlesung sagt, wir können uns die Bauklötzchen jetzt beruhigt wegdenken. Wir<br />

behalten nichts in Händen als die in Formeln ausgedrückten Gesetze, in denen die<br />

Energie als physikalische Größe vorkommt.<br />

Der Begriff der Energie ist nur über die verschiedenen von der Physik gefundenen<br />

Gesetze begrifflich gebunden. Eine Definition von Energie, die den beiden Hauptkriterien<br />

der Definitionslehre (Eliminierbarkeit und Nicht-Kreativität) genügt, kennt die Physik nicht.<br />

Und trotzdem können wir mit Hilfe dieses Energiebegriffs wichtigste Gesetze der Physik<br />

formulieren. Z.B. den 1. Hauptsatz der Thermodynamik Die Energie bleibt erhalten oder<br />

auch das berühmte E=mc².<br />

Es hat etwas gedauert, bis man in der Wissenschaftstheorie die volle Bedeutung und<br />

Brisanz der nur über formelmäßige Gesetzesbeziehungen gebundenen Begriffe,<br />

verstanden hat. Heute wird dieses Problem unter dem Stichwort theoretische Begriffe<br />

(oder theoretische Terme) weithin diskutiert. 80<br />

Warum dieser kleine Ausflug in Physik und Wissenschaftstheorie? Und dies in einem<br />

Papier zu <strong>Platon</strong>, der zu den empirischen Wissenschaften, die sich ja mit wandelbaren,<br />

unsteten Dingen beschäftigen, zumindest ein zwiespältiges Verhältnis hatte. Nun, erstens<br />

hoffe ich, dass der Leser diese Vorbehalte <strong>Platon</strong>s nicht teilt, zweitens sollte mit dem<br />

kleinen Ausflug deutlich gemacht werden, auf welch komplexe Weise wir Sprache (in<br />

diesem Fall Wissenschaftssprache) zur Erfassung der Welt nutzbar machen. Wenn die<br />

Physik bei einem so unglaublich produktiven Begriff wie Energie ohne vorstellbares<br />

Korrelat, ohne Definition, ohne Klärung seines Wesens auskommt, warum sollte man sich<br />

dann in der <strong>Philosophie</strong> von einer Beschäftigung mit dem Wesen der Dinge immer noch<br />

die großen Durchbrüche erhoffen? Ist Wesens-<strong>Philosophie</strong> wirklich das Pferd, auf das<br />

man setzen sollte?<br />

79 Die Vorlesung ist Bestandteil der Feynman Readings und in Deutsch z.B. in: Richard Feynman: Vorlesungen über<br />

Physik, Bd. 1. München: Oldenburg Verlag 1987 erschienen. Darüber hinaus ist diese Vorlesung in kleinen<br />

Sammelbändchen mit Feynman Vorträgen enthalten.<br />

Feynman wäre über eine auf ihn verweisende Literaturreferenz in einem Papier, das sich mit einem Philosophen<br />

beschäftigt, sicher nicht besonders glücklich gewesen. Er hatte keine hohe Meinung von der <strong>Philosophie</strong> und hat<br />

sich ausgiebig über den erheiternden Unsinn den Philosophen zur Relativitätstheorie und Quantenphysik verbreiten<br />

amüsiert. Das beste, was man sich von der <strong>Philosophie</strong> erhoffen kann, war nach Feynman, dass man durch die Irrtümer<br />

des einen Philosophen vor den noch viel schlimmeren Irrtümern eines anderen Philosophen bewahrt wird.<br />

Also: Sorry Dick. Und nochmals: WE LOVE YOU!<br />

80 Eine, wenn auch nicht mehr in jeder Hinsicht ganz aktuelle, aber dennoch sehr gute Einführung in den<br />

Problemkreis theoretische Begriffe findet der Leser in: Wolfgang Stegmüller: Theorie und Erfahrung, zweiter<br />

Halbband: Theorienstrukturen und Theoriendynamik. Berlin: Springer Verlag 1985. Stegmüller unterbreitet hierin<br />

einen sehr originellen Versuch, Kuhns Thesen zur Struktur wissenschaftlicher Revolution mit Sneeds Ansatz zur<br />

Deutung der logischen Struktur physikalischer Theorie zu einer Gesamtsicht zu verbinden. Wer an dem Thema<br />

wirklich nachhaltig interessiert ist, dem sei auf jeden Fall auch eine Lektüre von Sneeds Originalarbeit empfohlen.<br />

J. D. Sneed: The Logical Structure of Mathematical Physics. Dordrecht: Reidel 1979.<br />

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